Der letzte Aufstand
den Gang, in dem er gestanden war, verliess. Er bewegte sich schnell, aber möglichst unauffällig. Yolande brauchte den Wind der Lüftungsanlage beim Eingang, damit sich das Virus schnellstmöglich verbreiten würde. Sie musste bereits in der Nähe des Eingangs sein.
„Siehst du sie?“, fragte er Yeva.
„Nein“, kam die Antwort sofort.
„Fünfzehn Sekunden!“ tönte Lucs Stimme aus dem Begleiter.
„Keine gelben Turnschuhe. Nirgends ...“, hörte er Yeva.
Guillaume ging jetzt schnellen Schrittes durch den Laden. Er manövrierte sich geschickt an den Stehenden vorbei. Der Blick klebte am Boden. Gelb müsste sofort auffallen, sagte er zu sich selbst. Doch nirgends waren gelbe Schuhe zu sehen. Er blickte kurz hoch, suchte Yeva.
„Acht Sekunden, sieben Sekunden, ...“
Luc tönte wie ein Automat. Bilder aus dem Aliens-Film huschten an Guillaumes innerem Auge vorbei; die Szene, wo das Raumschiff kurz vor der Selbstzerstörung war.
Keine gelben Turnschuhe. Guillaumes Blick ging jetzt hin und her: vom Boden hoch zu Yeva, dann wieder auf den Boden. Verdammt, es gab nicht einmal eine Frau um die dreissig in dem Laden. Nur ältere Männer und Frauen um die fünfzig. Irgendwo jagten zwei Kinder sich durch die Regale. Die Mutter schrie sie an.
Dann, als er wieder zu Yeva schauen wollte, war sie weg.
„Vier Sekunden ...“
Vier Sekunden trennten ihn von seinem eigenen Tod. Wo war Yeva? Er spürte wie sein Körper die Flucht ergreifen wollte. Er zwang sich stehen zu bleiben. Seine Augen schweiften nervös über die Regale.
Dann sah er Yeva aus dem Laden rennen. Was war los? Konnte sie den Druck nicht mehr aushalten? Die Perspektive den sicheren Tod einzuatmen nicht mehr ertragen? Doch eine halbe Sekunde später war klar, dass es nicht um das ging. Yeva hatte Yolande erblickt, die aus irgend einem Grund von der Strasse her in die FNAC herein kam. Guillaume erkannte selbst auf die Distanz sofort, dass sie die Ampulle mit dem Virus bereits in der Hand hatte. Seine Augen zoomten auf die Hand ein, als wären sie ein verstellbares Objektiv. Einen Moment später sah er, wie Yeva sie von der Seite her ansprang und ihr den Arm mit der Ampulle nach hinten drehte. Guillaume stürmte auf den Ausgang zu. Die beiden Frauen rangelten um die Oberhand. Yolande verbittert und böse darüber, dass sie ihren Anschlag nicht ungehindert durchziehen konnte, und Yeva kühl, berechnend und überlegen. Yeva war kurz davor die Sache zu beenden. Sie hatte ihre Kevlar-Handschellen hervor genommen und wollte der um sich schlagenden, schreienden Frau die Hände hinter dem Rücken zusammen binden.
Doch dann - scheinbar aus dem Nichts kommend - rempelte ein grosser schlaksiger Mann Yeva von hinten an und stellte ihr ein Bein. Sie fiel der Länge nach hin. Es war ein Penner, der sich aus der Situation einen Tazer zu ergattern erhoffte. Yeva lag auf dem Bauch und versuchte sich vom Boden abzustossen, doch der Obdachlose stand bereits neben ihr und rammte ihr sein Knie auf den Rücken, während er mit nervösen Händen versuchte ihr den Tazer vom Gürtel abzuziehen.
Guillaume sah die ganze Szene aus etwa sieben Metern Distanz, während er auf den Ausgang des Ladens zu rannte. Alles war so schnell gegangen. Yolande stürmte auf den Eigang des Ladens zu. Sie war wegen des Obdachlosen auch hingefallen, doch jetzt trennten sie nur noch zwei Meter von der Lüftungsanlage im Eingang des Warenhauses. Einmal dort, musste sie die Ampulle nur noch fallen lassen und zertreten und dann war alles zu spät. Guillaume sah, wie Yeva verzweifelt zum Eingang blickte. Der verwahrloste Mann hielt sie immer noch auf den Boden gedrückt. Yeva hatte aufgehört sich zu wehren. Sie hatte erkannt, dass sie nicht mehr rechtzeitig bei Yolande sein konnte.
Guillaume stiess sich mit jedem seiner Schritte so fest und schnell vom Boden ab, dass die Beinmuskeln Alarmsignale in sein Hirn schickten. Er musste vor ihr dort sein. Sein Zeitempfinden war plötzlich gedehnt. Wie von aussen sah er sich auf den Eingang zu preschen. Im Mittelpunkt seines Blickes war die Ampulle, die Yolande mit festem Griff umklammert hielt, die aber zwischen Daumen und Zeigefinger aus der geschlossenen Faust hervor guckte. Drei Meter noch.
Dann kam Yolande Lefort im Warenhaus an. Sie liess die Türen hinter sich und befand sich nun in der Lüftungszone, wo die kalte Luft draussen und die warme Luft drinnen behalten wurde. Guillaume sah, wie sie die Hand hob. Das Killervirus würde durch die Luft in
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