Der letzte Aufstand
Gesichtsfeld auf. Von allen Seiten gleichzeitig drängten sich Ereignisse in die Zukunft, und jeder kleine schwarze Punkt, der sich näherte, versinnbildlichte die Absicht einen Anschlag zu begehen.
Luc kam als Erster aus dem leibfreien Zustand zurück in seinen Körper. Er griff sofort zum Stift, um festzuhalten, was er wahrgenommen hatte. Doch wie hielt man etwas fest, das man nicht zählen konnte? Wie brachte man eine Lawine auf Papier? Während er darüber nachdachte, wie er die Sache notieren würde, welche Worte am treffendsten wiedergeben würden, was er gesehen hatte, kam auch Danielle zurück. Sie öffnete ihre Augen.
„Hast du das auch gesehen?“, fragte sie bleich.
„Wenn du die unzähligen Anschläge meinst, die von allen Seiten über uns her rollen werden, dann ja.“
„Merde!“, antwortete sie.
Ohne einen weiteren Augenblick abzuwarten, drückte Danielle den roten Knopf auf ihrem Begleiter. Der Knopf stellte eine automatische Verbindung zu allen Teams der gleichen Nation her und liess auch Begleiter, die ausgeschaltet waren, aktiv werden. Eine Sekunde später war Danielle mit rund sechzig Leuten überall in Frankreich und Belgien verbunden.
Mit ruhiger aber eindringlicher Stimme begann sie zu sprechen.
„Wachholder A-Team an alle. Dies ist ein Notfall. Wir haben unzählige Anschläge am Horizont. Ich wiederhole: unzählige Anschläge am Horizont. Beginn in vier Stunden. Vorerst alle in der Region Paris. Alle B-Teams sofort nach Paris, bitte. Alle A-Teams scannen die Region Paris, die wir wie folgt aufteilen: Stechpalme den Nordosten, Wegwarte den Nordwesten, Efeu den Südosten, Wachholder den Südwesten, wobei die Pont Neuf der Mittelpunkt ist und wir einen Radius von 15 Kilometern setzen. Ich wiederhole: Stechpalme den Nordosten, Wegwarte den Nordwesten, Efeu den Südosten, Wachholder den Südwesten. Alle C-Teams machen sich sofort für mindestens zehn Neueingänge von Kunden bereit. Zimmer vorbereiten, Kunden, die schon hier sind, bitte für die nächsten 24 Stunden einsperren. Tut mir Leid. Wir brauchen Ordnung und Übersicht. Bitte schnallt euch eure Tazer um, wir wissen nicht was hier los ist und wieso plötzlich so viele Attacken in Planung sind; also äusserste Vorsicht, bitte, auch in den Auffanglagern. Ich verständige Helena und Palms via Email. Leute, das ist der Sturm, von dem Helena gesprochen hat. Lasst uns so viele Menschenleben wie möglich retten. Nächstes Update in zwanzig Minuten. Over und Aus.“
Luc blickte sie mit grossen Augen an.
„Jetzt weiss ich, wieso Helena dich zu unserer Koordinatorin gemacht hat.“
„Wieso?“, fragte Danielle.
„Weil das verdammt noch mal fantastisch war. Du warst sachlich, kühl, hast klar delegiert und keinerlei Panik aufkommen lassen! Du hast sogar einen Radius genannt, ich meine, du als Nicht-Mathematikerin. Du bist die Beste!“
Danielle wurde rot. Sie wurde nicht oft von Luc gelobt, umso mehr konnte sie sicher sein, dass er es wirklich meinte, wenn er mal so etwas sagte.
„Danke!“
Dann wurde Lucs Ausdruck wieder ernst. „Du hast uns den Westen gegeben. Scannen wir beide den Westen, oder willst du eine weitere Unterteilung vornehmen?“
„Wir gehen zeitlich vor. Du nimmst die ersten dreissig Minuten, ich die nächste halbe Stunde. Und dann so weiter, du immer die erste halbe Stunde, ich die zweite. Wir machen zuerst die ersten zwei Stunden. Dann schauen wir weiter.“
Luc nickte. In diesem Moment wurde plötzlich klar, wieso das Training auf dem Schiff mit jedem Tag härter geworden war. Wieso Helena Dinge von ihnen verlangt hatte, die unmenschlich und unlogisch schienen. Jetzt schoss tatsächlich pures Adrenalin durch die Blutbahnen und sie mussten sich innerhalb von Minuten in einen rezeptiven Zustand begeben können; nicht nur um keine Zeit zu verlieren, sondern auch um weiterhin zuverlässige Informationen liefern zu können.
„Ich stelle den Wecker auf in achtzehn Minuten, okay?“
Danielle nickte ihm zu. Kurz darauf war sie schon wieder in die andere Welt gedriftet.
Luc schrieb auf, was er aus der kurzen Sitzung vorher mitgenommen hatte, dann liess er sich ebenfalls in die andere Welt fallen, genau so, wie Helena es ihnen beigebracht hatte. Es war mehr ein Sich-Fallen-Lassen, als ein aktives Verlassen des Körpers.
Sie hatte es einmal wie folgt auf den Punkt gebracht: Ihr seid gar nicht in eurem Körper! Wie um Himmels Willen wollt ihr ihn dann verlassen? Ihr müsst nur den Fokus verändern, das ist
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