Der letzte Aufstand
vierzig Meter hinter ihm Yeva und Henk auf ihn zu. Er verstand die Logik der Situation immer noch nicht, aber der Mann hatte den beiden - wie auch immer - einen neuen Befehl erteilt und hatte sie unter Kontrolle.
Jetzt zählte jede Sekunde. Kahil beschleunigte seinen Sprint auf den letzten zehn Metern noch einmal. Er musste die Wache warnen, vielleicht selbst einen Tazer ergattern, um sich zu wehren. Seine Füsse spulten auf dem Kies.
Es war absurd auch nur in Gedanken darüber nachzudenken Yeva mit einem Tazer zu begegnen. Und doch war es Yeva gewesen, die ihn dem Mann vorgeführt hatte. Sie war nicht sich selbst, wobei es das nicht einfacher machte, Yeva mit einem Tazer zu bedrohen. Bei der Wachhütte angekommen, rannte Kahil fast die Türe ein.
„Wir wurden infiltriert ... ich brauche einen Tazer ... schnell!“, sagte er ausser Atem.
Der Wachmann sass hinter der Computerkonsole, hob ruhig den Kopf. Er liess sich erstmal nicht aus der Ruhe bringen. Trotzdem schien er gehört zu haben, was Kahil gesagt hatte. Er griff sich an seinen Gürtel und nahm den Tazer hervor. Man hörte wie Yeva und Henk auf dem Kies heran gerannt kamen.
„Schnell! Sie kommen!“, sagte Kahil, den Mann mit untermauernden Gesten zu mehr Tempo antreibend.
Der Wachmann erhob sich. Er hatte immer noch kein Wort gesagt. Entweder er ist fantastisch gut und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, dachte Kahil, oder er ist eine totale Flasche. Doch dann richtete der Mann innerhalb einer halben Sekunde die elektrische Waffe auf ihn und drückte ab.
Kahil spürte, wie die kleinen Metallspitzen durch seine Kleidung drangen und sich in seine Haut verkrallten. Im selben Moment wurde er von einer unsichtbaren Welle geschlagen, die seinen ganzen Körper scharf ergriff und in eine schmerzhafte Erstarrung brachte. Plötzlich waren seine Muskeln wie aus Stein, hart und unbeweglich. Selbst atmen konnte er nicht mehr. Die Sinne wurden unscharf. Verdammt, dachte er.
Er bekam nur noch am Rande mit, wie Yeva und Henk das Wachhäuschen betraten, ihm die Metallteile von der Haut lösten und ihn mit Handschellen versahen.
Als Kahil zehn Sekunden später wieder klarer denken konnte, ging sein erster Gedanke zu Guillaume, der jetzt, genau so wie er, ungewarnt in die Bedrouille geraten würde. Doch dann liess die Wirkung des Elektroschlags nach und Kahil begann sich zu wehren. Wahrscheinlich hatte er nicht die volle Dosis des Tazers angekriegt. Kahil schrie aus ganzer Lunge: „Yeva! Was soll das? Hör auf!“
Doch Yeva zerrte ihn an den Handschellen einfach aus dem Häuschen. Ihr Blick war kalt. „Halt‘s Maul! Du wirst die Wahrheit auch noch lernen zu sehen!“, zischte sie.
Kahil glaubte sich verhört zu haben. „Was?“
„Klappe!“, schnauzte Yeva. Sie zog ihn wieder auf den Wachholder-Wohnblock zu. Kahil blickte nervös um sich. Die Soldaten weiter vorne standen gelangweilt herum, hatten nichts zu tun, waren aber zu weit weg, als dass es Sinn gemacht hätte, sie um Hilfe zu rufen.
Die Muskeln schmerzten immer noch, sonst wäre das Davonlaufen wohl die beste Lösung gewesen. Doch mit derart reduzierter Muskelkraft war das unterwürfige Mittrotten das einzige, was er tun konnte.
19.10 Uhr
Guillaume zeigte nach links. „Einfach dort hinter dem Lagerhaus nach links halten. Das Auffanglager steht hundert Meter nördlich der Nord-Startbahn. Wir sind gleich da.“
„Ich wusste gar nicht, dass man so nah an die Startbahn heran fahren kann ...“
„Doch, doch, das kleine Dorf Epiais lès Louvres ist ebenfalls ganz in der Nähe der Startbahn.“, antwortete er.
Die Militärpatrouille war jetzt zu sehen.
„Dort hinten ist es, sehen Sie? Fahren sie einfach zu dem Checkpoint dort, den Rest kann ich gehen ...“
„Kommt nicht in Frage. Ich fahre Sie bis zu dem Lager. Nur, weil Sie keine Schmerzen mehr spüren, heisst das noch lange nicht, dass Sie schon wieder über die Stränge schlagen können.“ Sie lächelte.
Bei der Patrouille angelangt kurbelte sie das Fenster hinunter.
„Ich bringe einen angeschlagenen Mitarbeiter der ATO ins Lager dort ...“
Der Soldat musterte sie und warf einen Blick uns Wageninnere.
„Ausweis?“
Guillaume zückte den ATO-Ausweis und hielt ihn dem Soldaten unter die Nase. Er betrachtete ihn, zuerst vorne, dann hinten. Schliesslich nickte er.
„Gut. Sie können durch!“
Die Strasse wurde frei gemacht. Die Krankenschwester fuhr die vielleicht sechzig holprigen Meter bis zum Auffanglager langsam und
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