Der letzte Befehl
könnten es uns nicht leisten, einem Haufen Neobarbaren so etwas wie New Tuscany ›durchgehen‹ zu lassen, weil die Art und Weise, wie die Jean Bart zerstört wurde, dem Ansehen der Navy beachtlichen Schaden zufügen würde.«
MacArtney bedachte ihn mit einem finsteren Blick, doch er schwieg. Kolokoltsov verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln.
»Na ja, wenn ich mich nicht gewaltig täusche, dann dürfte die Tatsache, dass ein paar manticoranische Kreuzer mehr als siebzig Wallschiffen und deren gesamten Abschirmverband zerstört oder eingenommen haben, dem Ansehen der Navy zumindest auch einen gewissen Schaden zufügen. Oder sehen Sie das anders?«
MacArtneys Blick wurde noch finsterer, fast schon wild. Doch dann schien der Staatssekretär des Innenministeriums regelrecht in sich zusammenzusacken. Mit herabhängenden Schultern lehnte er sich in seinem Sessel zurück.
»Nein«, gestand er mit schwerer Stimme, »da haben Sie recht.«
»Na ja«, ergriff Abruzzi scharf das Wort, »ich denke, es ist das Vernünftigste, wenn wir alle hier die Realität anerkennen – und wahrscheinlich wurde es auch höchste Zeit dafür. Andererseits helfen uns irgendwelche Schuldzuweisungen jetzt auch nicht dabei, aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen. Es sei denn, Innokentiy, Sie schlagen vor, dass wir jetzt den großen Schritt tun und eingestehen, das alles sei die Schuld der Liga. Dann bräuchten wir bloß noch die Mantys zu fragen, ob wir bitteschön ihre Stiefel lecken dürfen, während wir alles wiedergutmachen.«
Kolokoltsov setzte schon zu einer hitzigen Entgegnung an, doch er beherrschte sich, bevor er die erste Silbe über die Lippen gebracht hatte. Leicht fiel es ihm nicht. Vor allem, nachdem er sich erinnerte, wie leichthin Abruzzi allen anderen erklärt hatte, die Mantys würden sich doch nur aufspielen, um für ihre eigene Bevölkerung ein gutes Bild abzugeben und so innenpolitische Probleme besser in den Griff zu bekommen. Natürlich waren sie in Wirklichkeit überhaupt nicht bereit, es auf eine direkte Konfrontation mit der mächtigen Solaren Liga ankommen zu lassen! Ach du liebe Güte, nein, das nun wirklich nicht!
»Nein, Malachai, das ist nicht ganz das, was ich im Sinn hatte«, erwiderte Kolokoltsov nach kurzem Schweigen. Mit einem Mal wirkte Abruzzis Blick völlig anders: als hätten sich hinter seinen Augen Fensterläden geschlossen. Das verriet Kolokoltsov, dass sein eisiger, präziser Tonfall dem Staatssekretär für Bildung und Information sehr deutlich gemacht hatte, wie immens sich Kolokoltsov zusammennehmen musste. »Vergessen Sie nicht, in vielerlei Hinsicht würde ich es wirklich vorziehen, diese ganze Sache diplomatisch beizulegen, auch wenn wir dabei tatsächlich zu Kreuze kriechen müssten. Wenn ich mir überlege, was uns das alles kosten wird, wäre ich sogar bereit, durch einen ganzen Wald zu robben, wenn wir es damit schaffen würden, um diese Kosten herumzukommen. Leider glaube ich allerdings, dass sich das nicht machen lässt.«
»Nicht, nachdem wir erst so viel Öl auf das Green-Pines-Feuer gegossen haben«, stimmte Wodoslawski düster zu. »Ich denke, damit haben wir uns ziemlich effektiv den Weg zu einer diplomatischen Lösung verbaut. Und jetzt, wo die Medienfritzen erfahren haben, was Crandall widerfahren ist, wird man uns jeden Vorschlag unsererseits, in Verhandlungen zu treten, als Zeichen der Schwäche auslegen. Und genau das ist der Eindruck, den wir eigentlich von Anfang an vermeiden wollten.«
»Ganz genau.« Erneut blickte sich Kolokoltsov am Esstisch um. »Es hat doch gar keinen Sinn, wenn wir jetzt erkennen, wie viel billiger das alles geworden wäre, wenn wir die Behauptungen und Anschuldigungen der Mantys von Anfang an ernst genommen hätten.«
Tatsächlich fiel Kolokoltsov kein einziges Ereignis – und auch keine Verkettung von Ereignissen – ein, die jemals derartige Auswirkungen hätten haben können. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt! Man hatte den Bürgern der Solaren Liga so oft und so nachdrücklich versichert, ihre Navy sei die größte und stärkste des Universums – nicht nur derzeit, sondern jemals, in der gesamten Menschheitsgeschichte –, dass sie alle es geglaubt hatten. Das war ja auch in Ordnung so – Kolokoltsov selbst hatte es ja ebenfalls geglaubt, nicht wahr? Aber jetzt hatte eine fremde Sternnation diese Navy besiegt. Es ging hier nicht um eine einzelne kleine Einheit irgendwo in den Außenbezirken des
Weitere Kostenlose Bücher