DER LETZTE BESUCHER
vor ihm bestimmt keine Blöße geben. Er, dem es immer so wichtig war, dass der äußere Schein gewahrt blieb, musste sich jetzt allerdings e t was einfallen la s sen. Sie hörte, wie die beiden Männer leise miteinander sprachen, dann gingen sie offenbar z u sammen die Treppe hinunter. Als sie vorsichtig du rch die halb offene Balkontür hi n unter in den Hof spähte, verschwanden sie gerade um die Ecke in Ric h tung Straße. Erleichtert atmete sie auf. Sie hatte kostbare Zeit g e wonnen, aber ihr war klar, dass sie keine Minute länger warten du rfte. Wah r scheinlich würde Daniel schon bald zurüc k kommen und notfalls sogar das Schloss von einem Schlosser au f brechen lassen, wenn sie nicht öffnete. Das konnte sie nicht riskieren. Hastig warf sie den Bademantel ab, schlü p fte in die bereitgelegten Sachen und stopfte wah l los etwas Wäsche und ein paar Kleidungsstücke in eine Reisetasche. Danach lief sie noch einmal zurück ins Bad, um ihre Zahnbürste und ihr Wasc h zeug zu holen, und fischte zu letzt ihre Handtasche aus dem Schir m ständer.
In ihrer Angst fiel ihr nur eine einzige Person ein, von der sie sich instinktiv Hilfe erhoffte. Sie griff zum Telefon, b e stellte ein Taxi und verließ dann, ohne zu zögern oder sich noch einmal umz u sehen , das Haus.
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D ie Ermittlungen der Polizei konzentrierten sich i n zwischen auf Dirk Bauer, den Exmann , und auf Stefan Wi n ter , den Freund der Toten. Winter hatte ein zie m lich vages Alibi, das hatte eine Überprüfung seiner Aussage ergeben. Die Redaktionsbesprechung war gegen neu n zehn Uhr zu Ende gewesen , d afür gab es ein halbes Du tzend Zeugen. Aber nach Angabe n seiner Kollegen hatte Winter gegen achtzehn Uhr eine Nachricht auf seinem I-Phone erhalten und gleich darauf den Raum ve r lassen. Er war erst kurz vor Ende der Besprechung zurüc k gekommen und hatte sich entschuldigt, weil er von einem leer stehenden Büro aus un g estört ein paar dringende Tel e fonate führen musste.
Angeblich hatte er erst nach neunzehn Uhr die Redaktion verlassen und war zu Fuß auf die andere Mainseite nach Sachsenhausen ge laufen . Eine Strecke von knapp drei Kilometern. Die Blumenverkäuferin e r innerte sich, dass er kurz vor zwanzig Uhr in ihren Laden gekommen war, denn sie wollte gerade die Tagesei n nahmen abrechnen. Er hatte dann noch eine ganze Weile mit ihr geplaudert, bevor er mit den Blumen den Laden ve r ließ, um zu Sabine zu gehen. Zwar gab es auch jede Menge Fingera b drücke von Winter in der Wohnung der Toten, aber das musste nichts bedeuten, da er in seiner Panik vieles a n gefasst hatte, bevor die Polizei kam.
W as den Hausmeister anging, war der zwar ein au s gesprochen unangenehmer Wichtigtuer, aber ganz b e stimmt kein Mörder. Er hatte mit seiner Frau zusammen zuerst eine Vorabendserie und danach die Neu n zehnuhrnachrichten im Fernsehen a n geschaut . Anschließend hatte er seine abendliche Runde durch das Haus gemacht und bei der G e legenheit eine kaputte Glühbirne im Treppenhaus ausg e wechselt. Als er hörte, dass jemand bei Sabines Nac h barn, den Walters, Sturm klingelte, hatte er neugierig nac h gesehen und den völlig aufgelösten Winter angetroffen.
Mohr hatte dann offenbar einen Heidenschreck beko m men, als der Journalist ihm erzählte, dass Sabines Wohnun g stür nur a n gelehnt gewesen sei. Er e rinnerte sich, dass die Tote ihn erst vor wenigen Tagen gebeten hatte, ihre Ei n gangstür zu überprüfen, weil das Schloss nicht richtig ei n schnappte, wenn man es nicht a b schloss . Mohr gab dies danach auch bereitwillig zu Protokoll , und die anschließende Überprüfung bestätigte seine Au s sage .
Blieb also Bauer. Sein Alibi für die Tatzeit war ebenfalls fragwürdig . Der Gastwirt des Lokals, in dem Bauer g e gessen hatte, bestätigte zwar, dass er an besagtem Abend dort gew e sen war, konnte aber keine genauen Zeitangaben mehr m a chen. Zwar hatten sich in der Wohnung der Getöteten bisher keine Hinweise auf seine Anwesenheit g e funden, aber das Ergebnis eine s zweiten DNA-Vergleichs s tand noch aus. Bauer war reichlich nervös gewesen, als Becker ihn au f suchte, und hatte die Ne r vosität hinter s einem arroganten Auftreten versteckt. Aber das aufmerksame Auge des Ko m missars konnte er nicht täuschen. Beckers Instinkt sagte ihm, dass der Mann irgendetwas vor ihm verbarg. Aber was? Und wo war das Motiv? Welche Verbindung gab es zwischen S a bine Schneider und ihrem
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