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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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ihnen über den Weg läuft, fragt, ob er vielleicht Grund zu der Annahme hat, Rusty Sabich hätte seine Frau kaltgemacht.«
    Brand versprach, die Sache unter Verschluss zu halten. Immerhin, so beruhigte Tommy sich, hatte die Presse noch keinen Wind davon bekommen. Er fragte Brand, was er jetzt vorhabe.
    »Ich würde sagen, es ist Zeit, seine Bankunterlagen und Telefonverbindungsdaten anzufordern«, sagte Brand. »Wollen doch mal sehen, ob es diese große Unbekannte wirklich gibt und ob die beiden immer noch was laufen haben. Wir können allen eine Neunzig-Tage-Sperre aufbrummen, damit sie Rusty frühestens nach seiner Wahl davon erzählen können.« Die bundesstaatliche Version des Antiterrorgesetzes gab der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Dokumente anzufordern und die Stellen, die diese Dokumente lieferten, dazu zu verpflichten, neunzig Tage lang niemanden davon in Kenntnis zu setzen, außer vielleicht einen Anwalt. Es war ein schwacher Abklatsch von den Möglichkeiten, die den Bundesbehörden zur Verfügung standen - die konnten nämlich die Anforderung von Dokumenten ewig geheim halten -, aber die hiesigen Strafverteidiger hatten wie üblich in der Hauptstadt einen Riesenaufstand veranstaltet.
    Tommy stöhnte und zitierte Macchiavelli, der schon immer wusste, worauf es ankam. »Wer auf den König schießt, tut gut daran, den König zu töten.«
    Doch Brand schüttelte seinen großen kahlen Kopf.
    »Nehmen wir mal das Schlimmste an, Boss, nehmen wir an, es kommt nix dabei raus. Dann wird Rusty stinksauer sein, wenn er davon erfährt, und vielleicht wirft er uns ab und an Knüppel zwischen die Beine, aber er wird sich keinesfalls öffentlich beschweren. Er sitzt im Obersten Bundesstaatsgericht, ihm ist nichts passiert, und er wird nicht an die große Glocke hängen, dass er mal vor langer Zeit, als seine bessere Hälfte noch lebte, eine Geliebte hatte. Er wird dich bloß noch ein bisschen mehr hassen, als er dich sowieso schon hasst.«
    »Na toll.«
    »Wir müssen unsere Arbeit machen, Boss. Wir haben Informationen vorliegen.«
    »Dürftige Informationen.«
    »Dürftig oder nicht, wir müssen ihnen nachgehen. Oder willst du, dass irgendein Cop aus Nearing in sechs Monaten einem Reporter beim Bier vorheult, dass sie noch vor Rustys Wahl auf wichtige Hinweise gestoßen sind, die ihn belasteten, und dass du eine Herztransplantation gebraucht hast, weil du Schiss hattest, der große böse Richter Sabich würde dir wieder den Hintern versohlen? Das wäre auch nicht gut.«
    Brand hatte recht. Sie mussten ihre Arbeit machen. Aber es war riskant. Es war ein Witz, zu glauben, du hättest tatsächlich die Kontrolle über dein Leben. Du konntest zwar das Ruderblatt ins Wasser halten, um das Kanu zu steuern, aber durch die Stromschnellen trug dich allein die Strömung. Du selbst hieltst dich einfach bloß fest und hofftest, nicht gegen einen Felsen zu prallen oder in einen Strudel zu geraten.
    Tommy wartete ab, bis sie wieder am Gericht waren, ehe er Brand die Erlaubnis gab, weiterzumachen.
     
    Rustys Geburtstag 19.03.2007 - Barbaras Tod 29.09.2008 - Die Wahl 04.11.2008
     

Kapitel 7
    Rusty, März-April 2007
     
    Vier Tage nachdem die Sache zwischen uns angefangen hat, treffen Anna und ich uns im Hotel Gresham. Ihre Wohnung kommt nicht infrage. Ihre Mitbewohnerin Stiles kommt zu unregelmäßigen Zeiten nach Hause. Noch entscheidender ist, dass ihre aus Backsteinbauten bestehende, relativ neue Wohnanlage auf der East Bank nur zwei Blocks vom Obersten Bundesstaatsgericht entfernt liegt, wo Nat schon jetzt ein paar Stunden die Woche arbeitet.
    Da der äußere Schein Vorrang hat, haben wir über etliche kryptische E-Mails vereinbart, dass sie das Hotelzimmer mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Ich sitze in der Lobby und tue so, als würde ich auf irgendjemanden warten. Als der Empfangsportier sich abwendet, suchen Annas Augen mich, und wir sehen uns an. Ich schiebe die Hand in mein Jackett und berühre mein Herz.
    Wenn man eine Frau monatelang mit dem begehrlichen Blick der Fantasie betrachtet hat, kann man irgendwie gar nicht richtig glauben, dass das wirklich sie ist, die man nackt in den Armen hält. Und in gewisser Weise ist sie es auch nicht. Ihre Taille ist schlanker, als ich gedacht hatte, die Oberschenkel eine Idee üppiger. Doch der eigentliche Kitzel liegt darin, die Wand durchbrochen zu haben und in meine Fantasie vorgedrungen zu sein, eine ebenso unwirkliche Erfahrung, als wäre ich zwischen Gitterstäben

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