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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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regelmäßig auftretenden Probleme in der Behörde zu reden, die sonst im Strudel der Dringlichkeiten untergingen. Normalerweise aßen sie nur irgendwo in der Nähe schnell ein Sandwich, aber heute hinterließ Brand bei Tommys Sekretärinnen eine Nachricht, dass er um zwölf unten vorm Haupteingang auf ihn warte. Jim steuerte seinen Mercedes gerade aus dem Betonparkhaus zwischen dem Bezirksgebäude und dem Gericht, als Tommy aus dem Gebäude trat.
    »Wo geht's hin?«, fragte Tommy, sobald er eingestiegen war. Brand liebte sein Auto, eine E-Klasse, die er günstig gekauft hatte, nachdem er drei Monate lang praktisch kein anderes Thema hatte als irgendwelche Angebote im Internet oder in Kleinanzeigen. Er und seine Mädchen wienerten das Auto jeden Sonntag auf Hochglanz, und er hatte einen Lederreiniger gefunden, der den typischen Neuwagenduft verströmte. Das Auto war dermaßen makellos, dass Tommy schon Bedenken hatte, auch nur die Beine übereinanderzuschlagen, weil er fürchtete, seine Schuhe könnten Staubspuren am Sitz hinterlassen. Einer der glücklichsten Tage in Brands Leben war der gewesen, als er eines Abends aus dem Parkhaus rollte und ein vorbeitorkelnder zahnloser Penner lallte: »Mann, Alter, krasser Schlitten ist das.« Noch heute gab Brand diesen Spruch bei jeder Gelegenheit zum Besten.
    »Ich dachte, ins Giaccolone's«, sagte Brand.
    »Du liebe Zeit.« Im Giaccolone's steckten sie ein ganzes Kalbsschnitzel in ein Panino und ersäuften das Ganze in Marinarasoße. Als junger Staatsanwalt hatte Tommy oft die Detectives, mit denen er in einem Fall zusammengearbeitet hatte, dorthin eingeladen, während die Geschworenen sich berieten, doch mittlerweile deckte so ein Sandwich seinen Kalorienbedarf für die ganze Woche. »Dann fühl ich mich wieder wie eine Boa constrictor, die gerade ein Pferd verdaut.«
    »Du wirst deine Mittagspause genießen«, sagte Brand, und da ahnte Tommy, dass Brand etwas im Schilde führte.
    Das Giaccolone's war nicht weit von der Uni, und der Hungersnotappetit junger Studenten hatte den Laden vor Jahren am Laufen gehalten, als man noch jugendlichen Wagemut und bewaffnete Begleiter brauchte, wenn man sich in die Gegend traute. Damals war die ganze Straße ziemlich heruntergekommen. Der Spielplatz gegenüber war ein unkrautüberwuchertes Gelände gewesen, wo lila Disteln neben Müll wuchsen, der mitten in der Nacht dort abgeladen wurde - Autoschrott und Spannbetonbrocken, aus denen rostige Moniereisen ragten. Jetzt standen dort noble Stadthäuser, und Tony Giaccolone, der den Laden in der dritten Generation führte, hatte das Undenkbare getan und die riesige Speisekarte, die über der Theke prangte, um Salate bereichert. Die Uniklinik, die mit ihrer Freiformarchitektur aussah, als hätte Tomaso einen Haufen Bauklötze auf den Boden gekippt, war bis auf wenige Hundert Meter herangekommen, breitete sich ungezügelt aus wie eines der Krebsgeschwüre, für deren Behandlung sie berühmt war.
    Auf der Rückseite vom Giaccolone's standen Picknicktische aus Beton. Dorthin gingen Brand und Tommy, nachdem sie sich ihre Sandwiches geholt hatten, die so schwer waren wie Ziegelsteine. Ein Anzug tragender, kupferroter Buddha sprang auf.
    »Hallo«, sagte Brand. »Boss, du erinnerst dich doch an Marco Cantu, oder? Marco, du kennst den Oberstaatsanwalt.«
    »Hallo, Tom.« Cantu holte aus und klatschte seine Hand in Tommys. Als Marco Cantu noch bei der Polizei gewesen war, hatte er den Spitznamen »Can-tu-nix« gehabt. Er war clever, aber sagenhaft faul gewesen, einer von den Cops, die den lebenden Beweis dafür lieferten, dass man Streifenwagen niemals mit Klimaanlagen hätte ausstatten sollen, denn im Sommer wäre Marco nicht mal ausgestiegen, um einen Mord zu verhindern. Aber er war irgendwo auf den Füßen gelandet, das wusste Tommy noch. Nach zwanzig Dienstjahren ließ er sich pensionieren und surfte auf der Antidiskriminierungswelle ins Paradies.
    »Sicherheitschef im Gresham«, sagte Cantu, als Tommy ihn fragte, was er denn zurzeit so mache. Das Gresham war ein klassisches Hotel, das um eine prächtige Lobby herum erbaut war, in der Marmorsäulen so hoch wie Mammutbäume aufragten. Tommy war gelegentlich dort, wenn die Anwaltskammer einen Empfang gab, aber man brauchte schon das Spesenkonto eines Topmanagers, um sich ein Zimmer leisten zu können.
    »Ist bestimmt Knochenarbeit«, sagte Molto. »Einmal im Monat schalten Sie auf Krisenmodus, wenn Sie irgendeinem betrunkenen Manager zuraunen

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