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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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gerechten Lohn ging. Die Tatsache, dass seine Arbeit, wenn sie erfolgreich war, für Menschen in eine brutale Gefangenschaft mündete, die er selbst wohl kaum überleben würde, war bis heute eine unliebsame Erkenntnis.
    »Warum sprechen wir gerade jetzt mit diesem Kerl?«, wollte Tommy von Brand wissen, während sie im Eingangsbereich warteten. Es war neun Uhr abends. Tommy war zu Hause gewesen, als Brand anrief. Tomaso war gerade eingeschlafen, und Dominga räumte die Küche auf. Das Haus roch noch immer nach Gewürzen und Windeln. Das waren die kostbarsten Stunden seines Tages, in denen Tommy den Rhythmus seiner Familie spürte, die süße Ordnung, die sich von dem relativen Chaos seines übrigen Lebens abhob. Aber Brand hätte seinen Boss nicht gebeten, hierherzukommen, wenn es nicht wirklich dringend gewesen wäre, und so hatte Tommy sich wieder in seinen Anzug geworfen. Er war der Oberstaatsanwalt. Er musste dementsprechend aussehen, überall, und wie sich herausgestellt hatte, waren sowohl der Gefängnisdirektor als auch der Captain des Wachpersonals extra von zu Hause hergeeilt, als sie hörten, dass er kam, um ihn zu begrüßen und ein bisschen zu plaudern. Sie waren gerade eben erst gegangen, sodass Tommy sich von seinem Ersten Staatsanwalt endlich erklären lassen konnte, worum es ging.
    »Weil Mel Tooley gesagt hat, die Fahrt würde sich lohnen. Sich richtig, richtig lohnen. Er hat etwas, das der Oberstaatsanwalt persönlich hören muss. Und neun Uhr abends ohne irgendwelche Reporter in der Nähe ist der perfekte Zeitpunkt.«
    »Jimmy, ich habe Frau und Kind.«
    »Ich hab eine Frau und zwei Kinder«, entgegnete Brand. Aber er lächelte. Er fand es niedlich, dass Tommy manchmal so tat, als hätte er das Familienleben erfunden. Brand hatte mehr Vertrauen zu Mel Tooley als die meisten Menschen, weil Mel sich mit einem von Brands älteren Brüdern Büroräume teilte.
    »Also, klär mich auf«, sagte Tommy. »Dieser Typ, der Häftling, wie heißt er noch mal? Harnason?« Die Leiterin der Berufungsabteilung der Behörde, Grin Brieson, hatte Tommy damals angefleht, die Anklage zu vertreten. Das wusste er noch und natürlich auch, dass er trotz Sabichs Widerspruch gewonnen hatte. Aber achtzehn Monate später war alles andere im Kielwasser der Zeit untergegangen.
    »Richtig. Er war anderthalb Jahre flüchtig.«
    »Jetzt fällt's mir wieder ein«, sagte Tommy. »Das ist der Typ, dem Rusty Sabich Kaution gewährt hat.« N.J. Koll hatte Werbespots laufen lassen, in denen er Rusty diese Entscheidung vorwarf, aber nachdem Barbara das Zeitliche gesegnet hatte, musste N.J. wohl oder übel auf eine weitere Ausstrahlung von dem Zeug verzichten, eine Erleichterung für Molto. Koll hatte ein Mordstamtam um die Tatsache gemacht, dass die Staatsanwaltschaft sich gegen die Kaution für Harnason ausgesprochen hatte, und Tommy sah seine Behörde nicht gern so in der Schusslinie.
    »Harnason wurde gestern in Coalville geschnappt, ein kleines Kaff rund dreihundert Meilen südlich von hier, knapp hinter der Staatsgrenze. Das war Harnasons neues Zuhause. Er hat ein Kanzleischild rausgehängt und unter dem Namen Thorsen Skoglund praktiziert.«
    »So ein Arschloch«, sagte Molto. Tommy ließ sich einen Moment Zeit, um an den längst verstorbenen Thorsen zu denken, einen ehrenwerten Mann.
    »Er praktiziert also als Anwalt und arbeitet nebenbei als Clown auf Kinderpartys, stell dir vor. So was kann man gar nicht erfinden. Als Anwalt hat er nicht so viel verdient wie als Clown, was vielleicht ganz aufschlussreich ist, aber alles lief ganz gut, bis seine Trinkerei überhandnahm und er besoffen am Steuer erwischt wurde. Zwei Stunden nachdem die Polizei ihn hatte laufen lassen, traf das Ergebnis des Fingerabdruckvergleichs vom FBI ein. Harnason meinte anscheinend, es wäre noch wie früher, wo so was Wochen gedauert hat. Er war zu Hause beim Packen, als der Sheriff ihn mit einem Sondereinsatzkommando hopsgenommen hat.«
    Mel Tooley hatte keinen Einspruch gegen die Auslieferung eingelegt, und der Sheriff von Coalville hatte Harnason höchstpersönlich zurück in die Tri-Cities gefahren. Es kam nicht oft vor, dass in Coalville flüchtige Mörder verhaftet wurden. Der Sheriff würde den Rest seines Lebens von Harnason erzählen. Bislang war Harnason noch keinem Richter vorgeführt worden, und die Presse hatte keine Ahnung, dass er wieder in Gewahrsam war, aber die Geschichte würde wahrscheinlich bald publik werden. Alles in allem war das für

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