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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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gehört, irgendwas, es klang jedenfalls irgendwie positiv, aber es hat mich fertiggemacht«, sagte Harnason, »diese Ungewissheit, das Warten auf die Entscheidung.
    Manchmal hält man es einfach nicht mehr aus. Also hab ich mir gedacht, tja, er hat einmal mit mir geredet, vielleicht sagt er mir wenigstens, worauf ich mich einzustellen habe. Also bin ich ihm ein paarmal gefolgt. Ich hab abgewartet, bis er in die Mittagspause ging, und bin ihm gefolgt.«
    Das erste Mal ging Rusty ins Grand Atheneum. Interessanterweise nicht ins Hotel Gresham, wo Marco Cantu fürs Nichtstun bezahlt wurde. Anscheinend war Rusty auf Bettentournee gegangen, vermutlich weil er Marco zu oft begegnet war, wenn er sich im Gresham mit seinem Püppchen traf. Aber Harnason wusste nichts von Marco oder dem Test auf Geschlechtskrankheiten. Bislang also klang seine Geschichte glaubwürdig.
    »War Sabich mit irgendwem zusammen?«
    »Davon gehe ich aus.« Harnason lächelte. »Aber ich hab sie nicht gesehen. Ich hab beobachtet, wie er schnurstracks auf den Fahrstuhl zusteuerte. Er war ziemlich lange weg. Länger, als ich warten konnte. Es fing an, wie aus Eimern zu schütten. Also bin ich abgehauen und hab mich die Woche drauf wieder an seine Fersen geheftet. Dieselbe Geschichte, bloß ein anderes Hotel. Aber nix wie in den Fahrstuhl und eine Ewigkeit oben geblieben.« Harnason hatte den Namen des Hotels vergessen, aber von der Beschreibung der Lage her musste es das Renaissance gewesen sein. »Ich hab mir über drei Stunden da draußen die Beine in den Bauch gestanden. Und auf einmal kam er raus. Mit richtig beschwingtem Gang. Als ich das sah, war ich mir hundertprozentig sicher, dass er es getrieben hatte.«
    »War diesmal jemand bei ihm?«
    »Negativ. Aber der Ausdruck auf seinem Gesicht, als er mich sah - Sie wissen schon, dieser großäugige >Ach du Scheiße<-Blick, anstatt genervt zu sein. Ich meine, vielleicht hat er deshalb geredet. Er hat versucht, mich abzuwimmeln. Aber ich hab ihn wirklich um Gnade angefleht. »Sagen Sie es mir. Muss ich wieder in den Knast oder nicht?« Und er hat's getan. Machen Sie sich auf schlechte Nachrichten gefasst. Ende der Fahnenstange. Ich hab losgeheult wie ein kleines Mädchen.«
    »Und das alles, während Sie da mitten auf der Straße stehen? Sie und der Chefrichter, und der Chefrichter erzählt Ihnen, dass Ihre Verurteilung bestätigt werden wird?« Das Ganze war verrückt. Mittagszeit auf der Market Street, zig Leute mussten sie gesehen haben, und Rusty hatte einfach so losgeplappert? Ein Verteidiger - Sandy Stern, falls er noch lebte - würde Harnason auseinandernehmen, aber die übliche Gegenprobe ergab Sinn: Falls Harnason sich das ausgedacht hatte, hätte er es ohne Holpern und Stottern erzählt. Man bekam öfter solche Geschichte zu hören, zu seltsam, um unwahr zu sein. »Und das haben Sie dann Mel erzählt?«
    Harnason sah zu Mel hinüber, der das mit einem Wink bestätigte. Harnason sagte, er habe ihn noch am selben Tag angerufen.
    Die vier Männer saßen eine Weile schweigend da, während Tommy alles noch mal im Geiste durchging. Tooley hatte recht. Damit würden sie Rusty Sabichs Schiff versenken. Das Beste dabei war, dass es nicht Tommys Fall sein würde. So wie Harnason die Geschichte erzählte, hatte Sabich keine Straftat begangen. Tommy würde diese Information einfach an die Gerichtskommission weiterleiten. Die wiederum würde Rusty einen Besuch abstatten, und am Ende würde er wahrscheinlich in aller Stille sein Amt niederlegen, in den Ruhestand gehen und privat praktizieren, anstatt eine öffentliche Anhörung über sich ergehen zu lassen, wo wahrscheinlich die Sache mit der Kleinen im Hotel herauskommen würde.
    Tommy sah zu Jim hinüber, ob der noch irgendwelche Fragen hatte. Brand wollte von Harnason wissen, ob er ihnen das gesamte Gespräch mit dem Chefrichter erzählt hatte.
    »Das war der Teil, der mir am wichtigsten war«, sagte Harnason leise und lächelte schwach in sich hinein. »Es ging noch ein bisschen länger.«
    »Also, lassen Sie hören.«
    Harnason sah ihn einen langen Moment an. Anscheinend versuchte er, selbst den Teil zu verstehen, der danach kam.
    »Na ja, ich jammer so vor mich hin, und er sagt mir praktisch, Das reicht jetzt, Sie haben ihn umgebracht, oder etwa nicht?«
    »Haben Sie?«, fragte Brand.
    Mel unterbrach - er wollte nicht, dass Harnason gestand -, aber Tommy sagte, es dürfe keine Einschränkungen geben. Brand fragte erneut, ob Harnason Ricky ermordet

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