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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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hatte.
    »Ja.« Harnason stockte und nickte dann. »Ja, hab ich. Und das hab ich auch Sabich gesagt, dass ich es getan hab. Aber, hab ich gesagt, Sie sind selbst mit Mord davongekommen, und da hat er mich angesehen und gesagt: Der Unterschied ist, ich hab's nicht getan.«
    Molto schaltete sich ein. »Das hat er Ihnen gesagt? Es ging um den Fall vor zwanzig Jahren?«
    »Absolut. Er hat gesagt, dass er es nicht war. Und dabei hat er mir in die Augen gesehen.«
    »Haben Sie ihm geglaubt?«
    Harnason überlegte. »Ich denke, ja.«
    Dieses Hin und Her brachte Tommy kurz durcheinander. Aber ihm entging nicht, was es für die Gegenwart bedeutete. Harnason war schlau genug, um zu wissen, was Tommy hören wollte, aber er sagte es nicht. Der Mann war ein eigenartiger Verbrecher, einer mit Prinzipien. Völlig ausgeschlossen, dass er nicht die Wahrheit sagte.
    »Sonst noch was?«, fragte Brand.
    Harnason wollte sich am Ohr kratzen, merkte aber, dass das mit den Handschellen nicht zu bewerkstelligen war. »Ich hab ihn gefragt, mit wem er in dem Hotel war.«
    »Hat er das beantwortet?«
    »Er hat sich umgedreht. Das war das Ende des Gesprächs.« Brand sagte: »Er hat nichts abgestritten? Er ist einfach weggegangen?«
    »Richtig.«
    »Fällt Ihnen noch mehr ein? Hat er sonst noch was gesagt?«
    Harnason blickte zur Decke, versuchte sich zu erinnern. Er verzog das Gesicht.
    »Na ja, eine andere Sache war noch irgendwie komisch. Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich Ricky getötet habe, hat er mich gefragt, wie das war, jemanden zu vergiften.«
    An der Art, wie Tooley zusammenfuhr, merkte Tommy, dass der Anwalt das zum ersten Mal hörte. Brand war zu cool, um auch nur mit der Wimper zu zucken, aber Tommy saß direkt neben ihm und spürte förmlich, wie sich Jimmys Pulsschlag beschleunigte.
    »Er hat Sie gefragt, wie das war, jemanden zu vergiften?«, wiederholte Brand.
    »Ich vermute, er war irgendwie neugierig. Wir hatten uns sowieso schon ziemlich weit vorgewagt. Da hab ich zu ihm gesagt, Sie wissen wie das ist, jemanden zu töten, und er hat gesagt, er hätte es nicht getan.«
    Brand ging das Gespräch noch ein paarmal mit Harnason durch, um den genauen Ablauf auf die Reihe zu bekommen, drängte Harnason dazu, präziser zu werden. Dann verabschiedeten sich die beiden Staatsanwälte, nachdem sie Tooley gesagt hatten, sie würden die Aussage auswerten und sich wieder bei ihm melden. Sie hüteten sich, auch nur ein Wort miteinander zu reden, ehe sie ein gutes Stück vom Gefängnis entfernt waren. Die Gegend war befremdlich, überall an den Häusern prangten die Zeichen von Straßengangs, und die Gangmitglieder selbst lungerten häufig in der Umgebung des Gefängnisses herum, als würde es sie irgendwie beruhigen, ihren Kumpels hinter Gittern nahe zu sein. Diesen Schlägertypen würde es sicher Spaß machen, den Oberstaatsanwalt mal ordentlich aufzumischen, wenn sie ihn erkannten, und Brand und Tommy gingen rasch zurück zum Parkhaus neben dem Bezirksgebäude. Sie kamen an einer Bushaltestelle vorbei, wo eine schwergewichtige Frau zur Musik aus einem kleinen Gettoblaster Jazzercise machte, einfach so, auf offener Straße um elf Uhr abends, als stünde sie zu Hause nackt vor dem Spiegel.
    »Okay«, sagte Brand, »du weißt, was ich denke.«
    »Ich weiß, was du denkst.«
    »Ich denke«, sagte Brand, »dass Sabich die Info über den Stand der Berufung aus folgenden Gründen rausgerückt hat. Weil er nebenher was Heißes laufen hat und schon mit dem Gedanken spielt, seiner besseren Hälfte vielleicht den Garaus zu machen. Weil ein Kandidat für das Oberste Gericht mitten im Wahlkampf keine skandalträchtige Scheidung gebrauchen kann, vor allem keine, bei der rauskommt, dass er sein Ding nicht in der Hose behalten konnte. Und er will ein bisschen Feldforschung betreiben, rausfinden, ob er es wirklich hinkriegen kann.«
    Tommy wackelte mit dem Kopf. Das klang ihm alles ein bisschen zu glatt, zu sehr nach Law & Order.
    »Jimmy, die Theorie wäre überzeugender, wenn wir irgendeinen Beweis dafür hätten, dass Barbara tatsächlich an einer Überdosis gestorben ist und nicht an Herzversagen.«
    »Vielleicht haben wir den einfach nur noch nicht gefunden«, sagte Brand.
    Tommy warf Jim einen Blick zu. Das war der größte Fehler, den ein Ankläger machen konnte, nämlich auf Beweise hoffen, die es nicht gab. Cops und Zeugen konnten das falsch auffassen und deine Träume wahr werden lassen. Tommy konnte ihre Atemwolken in der Abendluft sehen.

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