Der letzte Beweis
Lage wäre, jeden Schritt durchzuspielen. Aber ich werde es tun. Ich werde versuchen, doch noch das Leben zu führen, das ich führen will. Ich werde mutig sein, endlich.
Rustys Geburtstag 19.03.2007 - Barbaras Tod 29.09.2008 - Die Wahl 04.11.2008
Kapitel 12
Tommy, 27. Oktober 2008
Pathologen, Toxikologen, die tickten allesamt anders als der Rest der Menschheit. Aber was konntest du von Leuten erwarten, deren ganzes Leben sich um Tote drehte? Tommy hatte schon immer den Verdacht gehabt, dass es für diese Typen irgendwie ein Nervenkitzel war, noch unter den Lebenden zu weilen, während die Leiche tot dalag. War zumindest eine Idee.
Die Toxikologin, die mit Brand zusammen hereingekommen war, sah ganz okay aus. Nenny Strack. Sie war eine kleine Brünette mit braunen Augen, Mitte dreißig, so attraktiv, dass sie es sich leisten konnte, einen kurzen Rock zu tragen. Sie arbeitete in der medizinischen Fakultät der Uni und war für die Staatsanwaltschaft auf Vertragsbasis tätig. Brand hatte sich direkt an den Polizeipathologen gewandt, damit die Arbeit schnell erledigt wurde, und der wiederum hatte auf ein Labor in Ohio namens American Medical Service zurückgegriffen, das für die Hälfte der US-Strafverfolgungsbehörden arbeitete. Nachdem Barbaras Blutproben wieder aus dem Kühlschrank der Rechtsmedizin geholt worden waren, hatte Tommy gefürchtet, diese Maßnahmen würden wie Leuchtraketen wirken, aber niemand hatte etwas bemerkt.
»Und?«, fragte Molto die beiden.
»Lange oder kurze Version?«, fragte Brand.
»Fangen wir mit der kurzen an«, sagte Tommy, und Brand deutete mit der offenen Hand auf Strack, die einen Aktenordner auf dem Schoß liegen hatte.
»Die Koronarblutprobe weist einen toxischen Wert des Antidepressivums Phenelzin auf«, sagte sie.
Brand schaute nach unten auf seine Schuhe, vielleicht, um nicht zu grinsen. Es gab auch wirklich nichts zu grinsen.
»Sie ist keines natürlichen Todes gestorben?«, fragte Tommy. Er merkte selbst, dass seine Stimme schrill klang.
»Ich will ja nicht zickig sein«, sagte Dr. Strack, »aber es ist nicht meine Aufgabe, eine Expertenmeinung über die Todesursache abzugeben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die beschriebenen Symptome - Tod durch Herzversagen als Folge von Rhythmusstörungen und einer möglichen hypertensiven Reaktion - klassischerweise mit einer Überdosis dieses Medikaments einhergehen.«
Dr. Strack nahm sich einen Moment Zeit, um Phenelzin zu beschreiben, das zur Behandlung atypischer Depressionen eingesetzt wurde, häufig in Verbindung mit anderen Präparaten. Es wirkte, indem es die Produktion des Enzyms MAO hemmte, das verschiedene stimmungsverändernde Neurotransmitter abbaute. Häufig verbesserte seine Wirkung auf das Gehirn emotionale Zustände, doch die Hemmung des Enzyms konnte fatale Nebenwirkungen auf andere Teile des Körpers haben, vor allem in Verbindung mit Nahrungsmitteln oder Medikamenten, die eine Substanz namens Tyramin enthielten.
»Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die man nicht zu sich nehmen sollte, während man mit Phenelzin behandelt wird«, sagte Strack. »Rotwein. Älteren Käse. Bier. Joghurt. Eingelegtes Fleisch oder Fisch. Jede Art von Dauerwurst. Das alles erhöht die Toxizität des Medikaments.«
»Wo hatte sie das Zeug her?«
»Es war in ihrem Arzneischrank. Wäre es nicht dabei gewesen, hätte American Medical es niemals festgestellt.« Dr. Strack erläuterte, wie der Massenspektrograf bei einer Blutprobe funktionierte. Er produzierte zunächst mal einen regelrechten Wald von Farbbalken. Dann wurden die spektrografischen Muster für die rund hundert Substanzen eliminiert, auf die bei einem normalen Drogenscreening hin getestet wurde, weil das ja bereits vorgenommen worden war. Die kleine Anzahl verbliebener Farben konnten Tausende von Ionen repräsentieren. Also griff das Labor auf den Inhalt von Barbaras Arzneischrank zurück und untersuchte auf die darin enthaltenen Substanzen. Phenelzin wurde fast auf Anhieb festgestellt.
»Es könnte sich also um eine zufällige Überdosis handeln?«, fragte Molto.
»Nun ja, wenn man sich die reinen Blutwerte anschaut, müsste man sagen, wahrscheinlich nicht. Die Konzentration ist etwa viermal höher als bei einer normalen Dosis. Gehen wir mal davon aus, dass das Ergebnis korrekt ist, dann könnte man in Erwägung ziehen, dass sie vielleicht aus Vergesslichkeit zweimal eine Tablette genommen hat. Möglich. Aber gleich vier? Das wäre äußerst
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