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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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deuten war, aber er schien zu wissen, dass Tommy nur ungern weitersprach.
    »Es reicht nicht, Jimmy. Nicht bei der Geschichte. Ehe wir zum Labor rennen, musst du dir klarmachen, dass es um alles oder nichts geht.«
    »Herrje«, sagte Brand und fing an, die gesamte Beweislage noch einmal durchzugehen, doch Tommy unterbrach ihn.
    »Jimmy, du hattest von Anfang an recht. Er ist ein durchtriebener Hund. Aber falls wir praktisch beweisen, dass er den ersten Mord nicht begangen hat, können wir heute keine Anklage erheben. Dann wären wir bloß zwei rachsüchtige Arschlöcher, die eine unliebsame Wahrheit einfach nicht akzeptieren wollen. Im Gerichtssaal und davor würde sich alles nur um meine fixe Idee drehen. Dieser Fall ist papierdünn. Und falls wir auch noch einräumen müssen, dass Rusty schon einmal von derselben Behörde fälschlich beschuldigt wurde, plus die Tatsache, dass er Chefrichter am Berufungsgericht ist, für den alle außer Gott als Leumundszeugen auftreten, kriegen wir niemals einen Schuldspruch. Also müssen wir jetzt herausfinden, was die DNS ergibt. Denn wenn sie ihn im ersten Fall entlastet, dann ist hier und jetzt eindeutig Schluss.«
    Brand starrte auf die Straße, wo der Verkehr dichter wurde, je näher sie der Innenstadt kamen. Ganz Kindle County war in Feierstimmung. Die Büroangestellten, die Mittagspause machten, trugen alle möglichen Kostüme. Fünf Männer, die wie unterschiedliche Mitglieder der Village People verkleidet waren, gingen mit Hamburgern in der Hand spazieren.
    »Wieso sollten denn entlastende DNS-Ergebnisse überhaupt als Beweise zugelassen werden?«, fragte Brand. »Selbst wenn sie ihn in dem Fall vor zwanzig Jahren entlasten, na und? Okay, dann haben wir eben falschgelegen. Die Motive der Anklagevertretung sind irrelevant.«
    »Aber nicht die des Angeklagten. Du willst einen Indizienprozess führen und behaupten, der Mann wäre das Risiko eingegangen, seine Frau abzumurksen? Denkst du etwa, er hätte nicht das Recht zu zeigen, dass er einmal wegen eines Mordes vor Gericht stand, den er nicht begangen hat? Und wird dadurch nicht höchst unwahrscheinlich, dass er zwanzig Jahre später ein solches Risiko eingeht?«
    »Scheiße, dem Mistkerl trau ich alles zu. Vielleicht wird es dadurch sogar noch wahrscheinlicher. Der Mann kennt das System in- und auswendig. Vielleicht ist er so clever und denkt sich, dass wir ihm wegen des ersten Prozesses nicht mehr ans Leder können. Vielleicht rechnet er sich aus, dass ihm die DNS Rückendeckung für diesen Mord gibt.«
    »Und damit hätte er recht«, sagte Tommy zu Brand. Vor einer Ampel starrten sie einander an, bis Brand schließlich wegschaute, um einen Blick auf seine Uhr zu werfen. Er fluchte, weil er zu spät dran war. Molto erwog, ihm anzubieten, für den Mercedes einen Parkplatz zu suchen, aber Jim war im Augenblick zu aufgewühlt für Scherze.
    »Wir beweisen ihm den ersten Mord«, sagte Brand. »Ich wette um fünfzig Mäuse, dass wir ihm die Sache beweisen.«
    »Und das wäre die noch schlechtere Möglichkeit«, entgegnete Tommy. »Das Beste, was uns passieren könnte, wäre, einen Vorwand dafür zu finden, die Finger von dem Fall zu lassen. Richtig schlecht wäre, wenn sich rausstellt, dass das vor zwanzig Jahren tatsächlich Rustys Sperma war. Wenn er nämlich der Täter war, dann geht es nicht darum, ob wir den Fall heute gewinnen können. Dann müssen wir ihn gewinnen. Mit dem Wissen, dass er ein zweifacher Mörder ist, können wir nicht zulassen, dass er im Obersten Gericht sitzt. Das können wir einfach nicht.«
    »Genau meine Rede. Aber das wird ja auch jeder verstehen. Dann wissen alle, dass wir keine Gespenster jagen.«
    »Aber wir werden verlieren. Das ist ja das Allerschlimmste dabei. Wir haben einen Fall, den wir vor Gericht bringen müssen und den wir verlieren werden. Weil die DNS nämlich niemals als Beweis zugelassen wird, wenn wir sie vorlegen. Niemals. Das ist eine Einbahnstraße. Er wurde freigesprochen. Wir können die alten Beweise nicht mehr gegen ihn verwenden. Das wäre absurd, außer der alte Fall kommt neu vor Gericht, und das kriegen wir bei keinem Richter durch. Außerdem gab es gegen Ende des Prozesses so viele Fragen zu der Spermaprobe, dass neun von zehn Richtern sie heute ohnehin als Beweis ablehnen würden. Falls die DNS gut für Rusty ist, wird sie zugelassen. Und falls sie ihn als Mörder überführt, bleibt sie draußen. Der Fall ist und bleibt also dünn, selbst mit der DNS. Wir müssen

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