Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
Vom Netzwerk:
schon die Daumen drücken, dass die Anklage nicht abgelehnt wird, weil wir zu wenig in der Hand haben, um zu beweisen, dass überhaupt ein Mord begangen wurde.«
    »Nein.« Brand schüttelte heftig den Kopf auf seinem dicken Hals. »Ausgeschlossen. Du willst dich nur absichern, Boss. Das machen wir alle.«
    »Nein, Jimmy. Du hast es selbst gesagt. Der Mann ist clever. Sehr clever. Falls er sie getötet hat, dann hat er alles ganz genau durchdacht. Und er hat sich überlegt, wie er es machen kann und wieder ungeschoren davonkommt. Und das wird er.«
    Sie waren am Gericht angekommen. Endlich sah Brand Tommy an und sagte: »Das wäre wirklich schlecht.«
     
    Rustys Geburtstag 19.03.2007 - Barbaras Tod 29.09.2008 - Die Wahl 04.11.2008
     

Kapitel 21
    Nat, 28. September 2008
     
    Man lebt erst dann richtig in einer Beziehung, wenn man anfängt, die Macken des jeweils anderen zu sehen - so wie ich manchmal eine volle Stunde kein Wort rausbringe, wenn ich mit meinen Eltern zu tun hatte, oder wie sie völlig ausrastet, wenn ich Ray Horgan auch nur erwähne, diesen alten Sack, mit dem sie mal was hatte. Manchmal dauert es eine Weile, bis man die kleinen verrückten Winkel entdeckt, die jeder Mensch gern verbirgt. Ich war schon fast ein Jahr mit Kat zusammen und machte mir schon manchmal Sorgen, dass sie einfach zu normal für mich war, als sie eines Morgens aus dem Bett aufstand und über Schmerzen im Knie klagte. Als ich sie fragte, wie sie sich verletzt hatte, sah sie mich todernst an und sagte: »In einem meiner früheren Leben war ich ein Kreuzfahrer und hab einen Schlag mit einer Keule abbekommen.« An so einem Punkt geht es nur noch darum, wie gut der Mist, den man mit sich selbst rumschleppt, zu ihrem Mist passt. Kann man sich trotzdem noch gegenseitig ernst nehmen und auf einer Wellenlänge bleiben?
    Mein Leben mit Anna war bis jetzt, ungelogen, ziemlich paradiesisch, aber es gibt etwas, worauf sie schon den ganzen Monat völlig durchgeknallt reagiert, und das sind meine Eltern. Ich glaube, die erdrückende Art, die meine Mutter manchmal mir gegenüber an den Tag legt, nervt Anna fast so sehr wie mich, und außerdem scheint sie verunsichert, was ihr Verhältnis zu meinem Dad angeht. Vielleicht fürchtet sie, in seinen Augen immer nur eine Untergebene zu bleiben. Insgeheim frage ich mich auch, ob ihre Affäre mit Ray irgendwas damit zu tun hat. Ich vermute, sie geht davon aus, dass mein Vater Bescheid weiß, und das ist ihr peinlich, weil er sie bestimmt für vernünftiger gehalten hätte als Horgan, über den sie inzwischen vollends hinweg zu sein scheint.
    Aus all diesen Gründen bekam Anna fast einen Anfall, als ich ihr sagte, ich müsste meiner Mom von uns erzählen, weil sie mich mit Fragen löcherte, wo ich denn ab kommenden Monat wohnen wollte. Und als ich Anna sagte, dass meine Mom uns zum Dinner eingeladen hatte, fragte ich mich wirklich einen Moment, ob ich den Notarzt rufen sollte. Schließlich verlangte meine Mom, die eine unwiderstehliche Kraft sein kann, Anna am Telefon zu sprechen, und trieb sie genauso in die Enge, wie sie mich immer in die Enge treibt; aber selbst nachdem Anna einwilligte, scheint die Vorstellung für sie fast unerträglich.
    Letzten Donnerstagabend, nur wenige Tage vor unserer Verabredung mit meinen Eltern, kam ich von der Arbeit, und sie war schon zu Hause. Neben ihr lag eine Packung Zigaretten, und im Aschenbecher waren mindestens acht Kippen. Dabei ist es ein Nichtraucherhaus.
    »Was ist?«, fragte ich und bekam keine Antwort. Sie saß wie erstarrt am Küchentisch. Als ich mich auf den Stuhl neben ihr setzte, ergriff sie meine beiden Hände.
    »Ich liebe dich so sehr«, sagte sie. Sie bekam die Worte kaum heraus.
    »Ich liebe dich auch«, antwortete ich. »Was hast du denn?« Sie sah mich fassungslos an, erforschte lange mein Gesicht, während ihr Tränen wie Juwelen aus den grünen Augen quollen. »Ich wünsche mir so so so sehr, dass das mit uns gut geht«, sagte sie. »Ich würde alles dafür tun.«
    »Es wird gut gehen«, beruhigte ich sie, was aber anscheinend nicht viel nützte. Ein paar Tage lang wirkte sie ein wenig ruhiger, aber heute ist sie wieder ganz aufgelöst, während wir uns für das Abendessen bei meinen Eltern fertig machen.
    Unterwegs, als wir gerade die Nearing-Brücke überqueren, sagte Anna. »Ich glaub, mir wird schlecht.« Die Hängebrücke ist bekannt dafür, dass sie bei starkem Wind ziemlich schwankt, aber es ist ein herrlicher Tag, eher sommerlich als

Weitere Kostenlose Bücher