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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Anstrengung gelang es ihm, ihr in halbwegs ruhigem Ton auseinanderzusetzen, warum ihre Behauptung, daß sie am letzten Mittwoch abends in der Bibliothek gewesen sei und sich dort Bücher ausgeliehen habe, nicht stimmen konnte.
    »Ich verstehe.« Morse schwieg. Er wartete auf eine Erklärung, doch statt dessen stellte sie ihm eine Frage. »Wissen Sie denn noch, was Sie an dem Mittwoch gemacht haben?«
    Morse verwünschte ihr Talent, zielsicher immer die schwache Stelle herauszufinden. Was, zum Teufel, war denn letzten Mittwoch gewesen? Er konnte es beim besten Willen nicht mehr sagen. Es erschien ihm jedoch nicht zweckmäßig, das zuzugeben. Manchmal war Lügen erlaubt. »Ich habe Wagnermusik gehört«, sagte er mit Nachdruck.
    »Und was genau?«
    » › Rheingold ‹ . «
    »Gibt es jemanden, der das bestätigen kann? War jemand dabei?«
    Jetzt hatte sie ihn doch. »Nein«, sagte er. Jennifers offensive Haltung nötigte ihm wider Willen Bewunderung ab. »Nein«, wiederholte er, »ich lebe allein und habe nur selten Besuch.«
    »Sie Armer.«
    Morse nickte. »Aber sehen Sie, Miss Coleby, soweit ich weiß, bin ich bis jetzt nicht ernsthaft verdächtig, als Frau verkleidet in der Gegend herumzulaufen. Es ist demzufolge ziemlich unwahrscheinlich, daß ich die weibliche Person bin, mit der zusammen Sylvia an ihrem letzten Abend gesehen wurde.«
    »Und ich könnte Ihrer Meinung nach diejenige sein?«
    »Das ist jedenfalls nicht auszuschließen.«
    »Stehe ich vielleicht zufällig auch unter Verdacht, Sylvia vergewaltigt und ermordet zu haben?«
    »Für wie dumm halten Sie uns?«
    » Dumm ist, glaube ich, nicht das richtige Wort.«
    »Das müssen Sie mir schon erklären.«
    »Ist Ihnen eigentlich schon mal die Idee gekommen, Inspector, daß Sylvia vielleicht gar nichts einzuwenden hatte gegen diese … diese sogenannte Vergewaltigung?« stieß Jennifer heftig hervor. Ihre Wangen waren vor Erregung gerötet.
    »Vorausgesetzt, sie lebte noch, als es geschah«, sagte Morse ruhig.
    Jennifer holte tief Luft. »Entschuldigen Sie, es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
    Morse spürte, daß sie es ernst meinte und sah eine Chance für einen Appell. »Miss Coleby, es ist meine Aufgabe herauszufinden, was sich ereignete, nachdem Sylvia zusammen mit ihrer Freundin – und ich glaube, daß Sie diese Freundin waren – in den roten Wagen einstieg. Dieses Mädchen hat sich bis heute nicht bei uns gemeldet, und ich denke, der Grund dafür liegt auf der Hand. Sie kennt den Fahrer des Wagens, aber wagt es nicht, mit diesem Wissen zu uns zu kommen. Sie ist vermutlich insgeheim halb tot vor Angst. Aber auch Sylvia hat ganz sicher große Angst auszustehen gehabt. Das Schlimmste stand ihr da aber noch bevor. Der Schlag auf ihren Hinterkopf wurde mit solcher Wucht geführt, daß er die Schädeldecke zertrümmert hat und Knochensplitter in ihr Gehirn eingedrungen sind. Das klingt grauenhaft, ich weiß, aber Mord ist grauenhaft. Dazu eines der am schwierigsten aufzuklärenden Verbrechen überhaupt, denn oft gibt es nur einen Zeugen – das Opfer. Und das ist stumm. Für uns bedeutet das, wir können nur hoffen, daß irgendwelche Leute, ganz normale, durchschnittliche Menschen, die zwar nicht direkt betroffen sind, aber – meist ganz aus Zufall – etwas gehört oder gesehen haben, uns aufsuchen und es uns mitteilen. Oft scheuen sie davor zurück, in einen Mordfall hineingezogen zu werden. Mord erschreckt sie. Verständlich. Sie versuchen, sich einzureden, das alles gehe sie nichts an. Auch verständlich. Zum Glück gibt es jedoch immer wieder Menschen, die sich dann doch auf ihre Verantwortung besinnen, ihren Mut zusammennehmen und bereit sind, uns zu helfen. Und genau aus diesem Grund habe ich Sie holen lassen, Miss Coleby. Ich möchte, daß Sie mir helfen.« Er nahm das Blatt mit Jennifers Aussage und zerriß es. Ihr war nicht anzusehen, was sie dachte. Sie hatte, während er sprach, an ihm vorbei in den Hof geblickt.
    »Nun?«
    »Es tut mir leid, Inspector. Ich habe Ihnen eine Menge Unannehmlichkeiten bereitet. Das wollte ich nicht. Ich muß wohl am Donnerstag in der Bibliothek gewesen sein.«
    »Und was war Mittwoch?«
    »Da bin ich aus gewesen. Ich bin sogar die Woodstock Road entlanggekommen, aber ich bin nicht in Woodstock gewesen, sondern nur in Begbroke. Ich habe dort in der Golden Rose ein Bier mit Limonade getrunken. Ich bin in die Lounge gegangen, um es mir zu holen, und habe mich anschließend damit in den Garten

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