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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Plötzlich durchzuckte ihn der Gedanke, daß sie vielleicht in Gefahr war, und er beschloß, sie unverzüglich aufs Präsidium bringen zu lassen. Es war ja sowieso nötig, sie erneut zu befragen. Lewis würde sein freies Wochenende abkürzen müssen. Er griff nach dem Telefon und rief ihn an.
    »Lewis?«
    »Am Apparat.«
    »Morse hier. Es tut mir leid, daß ich Ihnen den Sonntag verderben muß, aber ich brauche Sie.«
    »Jetzt sofort?«
    »Nach Möglichkeit, ja.«
    »Ich mache mich gleich auf den Weg.«
    Morse sah die Papiere durch, die sich seit gestern auf seinem Schreibtisch angesammelt hatten. Berichte, Berichte, nichts als Berichte. Er gönnte ihnen nicht mehr als einen flüchtigen Blick und zeichnete mechanisch den beiliegenden Umlaufzettel ab. Untersuchungen über Das Drogenproblem in Großbritannien oder die Statistik der Gewaltverbrechen in der Grafschaft Oxford (2. Quartal) interessierten ihn im Augenblick herzlich wenig. Er war fürs erste mit der einen konkreten Gewalttat vollauf beschäftigt. Und zwar mit ihrer Aufklärung. Was die Statistik anging, so würde der Mord zweifellos bei der nächsten Erhebung korrekt verbucht werden. So oder so. Wahrscheinlich gleich im dritten Quartal. Morse fragte sich oft, wer überhaupt Zeit hatte, derartige Dinge zur Kenntnis zu nehmen. Er hegte schon seit langem den Verdacht, daß 95 Prozent dessen, was gedruckt wurde, nur der Autor selbst las. Zwei Berichte immerhin schienen ihm der Aufmerksamkeit wert. Der eine kam aus dem Polizeilabor, wo sie die Mordwaffe untersucht hatten, der andere enthielt einen ergänzenden Befund des Pathologen über den Zustand der Ermordeten. Beide Berichte bestätigten Morse im wesentlichen, was er ohnehin wußte, oder vermutet hatte. Das Montiereisen wies keinerlei Besonderheiten auf. Er überflog die Angaben über Form, Länge und Gewicht … Auch wenn es nicht von Bedeutung war. Das Eisen war längst identifiziert. Es gehörte dem Geschäftsführer des Black Prince . Dieser hatte am Nachmittag des 29. vor dem Schuppen rechts hinten im Hof, der ihm als Garage diente, an seinem alten Sunbeam herumgebastelt und danach vergessen, es wegzuräumen. Das Eisen war frei von Fingerabdrücken, zeigte jedoch Spuren, die eindeutig bewiesen, daß jemand es dazu benutzt hatte, Sylvia Kayes Schädeldecke zu zertrümmern. Die Beschreibung war detailliert und überaus anschaulich. Morse ersparte sich die blutigen Einzelheiten.
    Lewis hatte sich offensichtlich beeilt und traf innerhalb weniger Minuten im Präsidium ein.
    »Hallo, Lewis. Die Götter scheinen endlich ein Einsehen mit uns zu haben.« Er gab dem Sergeant eine knappe Zusammenfassung der neuesten Entwicklung. »Ich möchte, daß Miss Coleby zur Vernehmung hergebracht wird. Wir wollen nach Möglichkeit Komplikationen vermeiden, nehmen Sie sich also am besten gleich eine Kollegin mit. Fragen Sie die Fuller, wenn Sie wollen. Und um das noch mal klarzustellen: es handelt sich nur um eine Vernehmung, nicht etwa um eine Festnahme. Wenn sie trotzdem auf juristischem Beistand besteht, dann erklären Sie ihr, es sei Sonntag und da seien Rechtsanwälte im Zweifelsfall auf dem Golfplatz. Ich nehme aber eigentlich nicht an, daß sie Ihnen Schwierigkeiten machen wird.« Was diesen Punkt anging, sollte Morse ausnahmsweise recht behalten.
    Um Viertel vor vier nahm Jennifer im Vernehmungszimmer drei Platz. Lewis war von Morse angewiesen worden, sie ungefähr eine Stunde lang zu befragen, die jüngsten Erkenntnisse dabei jedoch unerwähnt zu lassen. Lewis begann, indem er in neutralem Ton bemerkte, die Polizei habe bei ihrer Suche nach dem Mädchen, das, wie zwei Zeugen unabhängig voneinander ausgesagt hätten, mit Sylvia noch wenige Stunden vor ihrer Ermordung zusammengewesen sei, bisher keinen Erfolg gehabt.
    »Ihre Arbeit erfordert bestimmt sehr viel Geduld, Sergeant.«
    Lewis wiegte nachsichtig lächelnd den Kopf. »Ach, wenn es nur an unserer Geduld läge … Wir brauchten ein bißchen mehr Unterstützung, dann würden wir sie schon finden.«
    »Aber sicher hilft Ihnen doch jeder, so gut er kann.«
    »Darf ich Ihnen einen Tee anbieten, Miss?«
    »Wenn es geht, lieber Kaffee.«
    Die Polizistin eilte aus dem Zimmer. Jennifer fuhr sich ein paarmal mit der Zunge über die Lippen und schluckte nervös. Lewis hüllte sich in abwartendes Schweigen. Jennifer hielt das stumme Kräftemessen schließlich nicht mehr aus.
    »Daß Sie mehr Unterstützung brauchten – haben Sie damit auch mich gemeint?«
    »Nun ja,

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