Der Letzte Bus Nach Woodstock
gegeben …
Was immer der Kaplan Bernard aus dem reichen Schatz seiner geistlichen und weltlichen Erfahrung vielleicht noch hätte mit auf den Weg geben wollen, blieb ungesagt, da in diesem Augenblick der Toast auf Ihre Majestät, die Königin, ausgebracht wurde. Es folgte die Rede des Rektors. Die üblichen Phrasen – reine Versatzstücke. Unser lieber Professor Tompsett, der von allen hier Anwesenden als Freund und Kollege geschätzt werde … Es lohnte sich nicht, hinzuhören. Bernards Gedanken waren bei Margaret … werde sein Weggang eine kaum zu schließende Lücke hinterlassen … Dann laßt sie doch einfach offen, dachte Bernard ketzerisch. Merkt sowieso keiner … einer der hervorragendsten Gelehrten seiner Generation … Bernard sah verstohlen auf die Uhr. Erst Viertel nach neun. Zu früh. Er konnte noch nicht gehen. Jetzt kamen Anekdoten aus Tompsetts Leben. Gleich würde wieder die Geschichte von dem Studenten aufgewärmt werden, der vor zwei Jahren aus Ärger bei Tompsett auf den Teppich gepinkelt hatte. Und richtig, da war sie schon. Er hatte es geahnt. Jetzt war der Rektor bei Felix’ Verdiensten als Wissenschaftler … auf seinem Gebiet an vorderster Stelle … So ein Quatsch … sein leidenschaftliches Interesse an der Lyrik des Elisabethanischen Zeitalters … Du lieber Himmel. Alle Welt wußte doch, daß Felix’ Interessen handfester waren. Bernard kam zum erstenmal der Gedanke, daß Felix es vielleicht auch bei Margaret versucht hatte. – Sollte sich das jemals herausstellen, dann gnade ihm Gott!
Der Rektor war fertig, und Felix war an der Reihe. Daß er nicht mehr ganz nüchtern war, fiel kaum auf, er sprach liebenswürdig und geistreich. Eine gute Rede – unprätentiös und an einigen Stellen sehr persönlich. War eigentlich doch ein netter Kerl, der Felix. Jetzt konnte er aber trotzdem langsam zum Schluß kommen. Schon Viertel vor zehn. Endlich – die Übergabe des Geschenks. Aufbruchsstimmung. Bernard hastete aus dem College und lief durch die Broad Road zur St. Giles Street. Dort stieg er in ein Taxi. Noch ehe es anhielt, sah er vor dem dunklen Haus eine Bewegung. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. James und Caroline standen neben der Haustür und warteten.
»Du kommst ganz schön spät …« begann Caroline.
Bernard hörte den Vorwurf gar nicht. »Wo ist eure Mutter?« Seine Stimme klang atemlos.
»Keine Ahnung. Wir dachten, ihr kämt zusammen.«
»Wie lange seid ihr schon hier?« Er sprach mit einer unpersönlichen Knappheit, die die Kinder an ihm bisher noch nicht kennengelernt hatten.
»Seit einer halben Stunde ungefähr. Mutter ist sonst immer vor uns da.«
Bernard schloß auf. »Einer von euch ruft in Headington Hill an und fragt, ob der Kurs Alte Geschichte heute länger gedauert hat.«
»Das kannst du machen, Caroline.«
Bernard versetzte James einen heftigen Schlag ins Gesicht. »Hoffentlich wird’s bald«, zischte er.
… mit bedrucktem Papier verdienen. Pornohefte gehören da allerdings nicht zur feinen englischen Art – wirklich nicht! Es gibt dezentere Muster, die sich überall sehen lassen können und die auch sehr einträglich sind.
Er ging zur Gartenpforte und sah die Straße hinunter. Nichts. Wenn doch jetzt der Mini um die Ecke biegen würde … Der Mini! Ihm brach der Schweiß aus. Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte zur Garage. Abgeschlossen. Mit zitternden Händen holte er seinen Schlüsselbund aus der Tasche. Er bekam den Schlüssel nicht gleich ins Schloß.
»Was willst du denn in der Garage?«
Bernard fuhr herum und spürte ein Gefühl überwältigender Dankbarkeit. Doch gleich daraufkam die Wut, daß sie ihn so in Angst versetzt hatte. »Wieso kommst du erst jetzt?«
»An meinem Mini ist der Anlasser kaputt, falls dich das interessiert. Ich habe herumtelefoniert, um jemanden zu finden, der ihn mir heute abend noch repariert, aber ich habe niemanden mehr erreicht. Ich mußte den Bus nehmen.«
»Warum hast du nicht im College angerufen?«
»O ja, natürlich. Erst die ganzen Werkstätten der Reihe nach und dann dich und zum Schluß wohl auch noch die Kinder.« Margaret wurde immer empörter. »Was soll überhaupt dies ganze Theater? Ihr kommt und geht, wie es euch paßt, aber wehe, ich bin einmal zu spät …«
»Die Kinder konnten nicht rein.«
»Na und? Sie haben’s ja überlebt.« Sie drehte sich um und stürzte ins Haus. Bernard hörte sie in aufgebrachtem Ton etwas sagen und die schrillen Stimmen der Kinder, die
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