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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sich verteidigten. Er klinkte die Gartenpforte zu. Dann ging er ins Haus, schloß sorgfältig hinter sich ab und schob auch noch den Riegel vor. Ihm war, als sei er noch einmal davongekommen, und er fühlte sich so glücklich wie lange nicht.

Kapitel 12 – Mittwoch, 6. Oktober
und Donnerstag, 7. Oktober
     
    Seit Morse vor sieben Monaten in seinem Haus eine neue Steckdose hatte legen lassen, hatte über seiner Küchentür ein häßliches faustgroßes Loch geklafft. An diesem Dienstag hatte er den Anblick plötzlich satt gehabt und, nachdem er sich die ganze Zeit davor gedrückt hatte, von einer Minute zur anderen beschlossen, es endlich zuzugipsen. Doch sein Vorhaben schien von Anfang an unter einem Unstern zu stehen. Das Moltofill, vor zwei Jahren zum letztenmal gebraucht, war inzwischen zu einem harten Klumpen zusammengebacken, der Spachtel, den er immer benutzte, um damit die Eier aufzuschlagen, war auf einmal nicht mehr aufzufinden, und die Leiter war sowieso schon immer altersschwach und wacklig gewesen. Das hatte ihn jedoch nicht abhalten können. Vielleicht, daß er angeregt durch die Lektüre von Edward de Bono, die Schwierigkeiten als Herausforderung angesehen hatte. Wie auch immer. Es hatte ein böses Ende genommen. Er hatte gerade ganz oben auf der Leiter gestanden, als der schon seit langem mürbe Riemen zwischen dem Tritt und dem Stützschenkel plötzlich riß und die Leiter zusammenklappte.
     
    Und da er aus dem Himmel stürzte, ging
    Die Sage, daß ihn Zeus geschleudert habe
    Im Zorn herab von den kristallnen Zinnen,
    Wo er vom Morgen bis zum Mittag fiel …
     
    Zwar hatte er sich nicht wie Hephaistos beide Beine gebrochen, doch fühlte er im rechten Fuß einen stechenden Schmerz, und ihm wurde schwarz vor Augen. Zwei Minuten lag er so auf dem Boden, kalten Schweiß auf der Stirn. Schließlich richtete er sich mühsam auf, humpelte ins vordere Zimmer und legte sich dort auf die Couch. Nach einer Weile ließ der Schmerz etwas nach, und er schöpfte Hoffnung, daß es mit dem Fuß wohl doch nicht so schlimm sei. Dann begann der Fuß jedoch anzuschwellen, und er spürte ein dumpfes Pochen. Er überlegte, ob er Auto fahren könne, gab den Gedanken aber sofort wieder auf. Es war halb neun abends. Ihm blieb keine andere Wahl. Er quälte sich zum Telefon und rief Lewis an. Eine halbe Stunde später saß er niedergeschlagen in der Ambulanz des Radcliffe-Krankenhauses und wartete auf das Ergebnis der Röntgenaufnahmen. Neben ihm auf der Bank stöhnte ein Junge, dem eine Autotür die Hand eingeklemmt hatte. Zwei schwerverletzte Männer, Opfer eines Autounfalls, wurden eilig hereingerollt und gleich zur Untersuchung gebracht. Morse fühlte sich schon wieder etwas besser.
    Nach einiger Zeit wurde er zu einem chinesischen Arzt ins Zimmer gerufen. Bei Morses Eintritt war er gerade dabei, das Röntgenbild zu studieren. Morse fand, daß er ruhig etwas interessierter hätte aussehen können. Lächelnd wandte der Arzt sich ihm zu und sagte: »Kleinflaktur – Klückenundväband.«
    »Wie bitte? Was meinen Sie?« Er wurde einer energischen Schwester übergeben, die ihn darüber aufklärte, daß nichts gebrochen sei, und er einen Verband und Krücken bekomme.
    Als Morse, auf Krücken gestützt, mit Lewis an der Seite, das Krankenhaus verließ, tauchte noch einmal der chinesische Arzt auf. »Sie, Mr. Morse«, rief er ihm über die Länge des Flurs zu, »Keinbülo – zweitag. Pause! Okay?«
    »Ich denke, es wird schon irgendwie gehen«, sagte Morse.
    Der Arzt gab nicht nach: »Sie, Mr. Morse. Fußblauchtluhe, ja? Keinbülozweitag. Pause. Okay?«
    »Okay, okay«, sagte Morse. Er war froh, als er draußen war.
    Er tat die ganze Nacht kein Auge zu. Ihm war, als spüre er jede Zehe einzeln. Er schluckte ein Aspirin nach dem anderen, bis er schließlich gegen Morgen vor lauter Erschöpfung einschlief. Alle zwei Stunden rief Lewis an und erkundigte sich besorgt nach seinem Befinden. Abends kam er zu einem Besuch vorbei. Er setzte sich zu Morse ans Bett und blieb bei ihm, bis dieser gegen neun Uhr in einen tiefen Schlaf fiel.
    Am nächsten Morgen war er gleich wieder zur Stelle und begrüßte ihn, als er aufwachte. Die Schmerzen im Fuß hatten nachgelassen, und sofort begann Morse wieder, über den Fall Kaye nachzudenken. Er merkte, daß er schlechte Laune bekam. Kein Wunder. Glich er nicht einem Quizteilnehmer, der einen Teil der Antworten halbrichtig gewußt, den anderen Teil richtig gewußt hatte, aber im entscheidenden

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