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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Moment nicht daraufgekommen war und so am Ende mit leeren Händen dastand? Wenn er doch noch einmal von vorne anfangen könnte …
    Der ungelöste Fall bedrückte ihn. Er hörte Lewis draußen herumhantieren. Wenn er den nicht hätte … Im Präsidium würden sie sich über sein Mißgeschick jetzt bestimmt totlachen. So ein Sturz von der Leiter war demütigend. Man war eine lächerliche Figur. Eigentlich war er ja gar nicht von , sondern durch die Leiter gefallen.
    »Lewis, kommen Sie doch mal her. Ich nehme an, es wissen inzwischen alle, was passiert ist?«
    »Ja, Sir.«
    »Und?«
    »Sie denken, daß Sie sich das mit dem Sturz nur ausgedacht haben und daß es in Wahrheit ein Gichtanfall ist. Weil Portwein doch Gicht verursachen soll.«
    Morse stöhnte. Im Geiste sah er sich schon im Präsidium herumhumpeln und eine Menge dumme Fragen beantworten. Das Beste wäre, einen Bericht zu verfassen und per Umlauf allen zur Kenntnis zu bringen.
    »Tut es immer noch weh, Sir?«
    »Also, Lewis, Sie stellen vielleicht Fragen! In jeder einzelnen Zehe sitzen Millionen Nervenenden. Das haben Sie wohl nicht gewußt, was?«
    »Einem Onkel von mir ist mal ein Bierfaß über den Fuß gerollt.«
    »Hören Sie bloß auf«, bei der bloßen Vorstellung zog sich in Morse alles zusammen. Ein Bierfaß! Bierfaß?
    »Lewis, sind die Pubs schon geöffnet?«
    »Hätten Sie Lust auf ein Bier, Sir?« Lewis sah ihn augenzwinkernd an.
    »Hätte ich schon.«
    »Das trifft sich ja gut. Ich habe nämlich gestern abend vorsichtshalber gleich ein paar Dosen mitgebracht.«
    »Nichts wie her damit.«
    Lewis holte Gläser, stellte sich in respektvollem Abstand zu dem Fuß einen Stuhl neben das Bett und goß ein.
    »Irgend etwas Neues inzwischen?« fragte Morse.
    »Nein. Bis jetzt nicht.«
    »Na, dann erst mal Prost.« Sie genossen schweigend ihr Bier.
    Einen Teil der Antworten halbrichtig gewußt, den anderen Teil richtig gewußt, aber nicht rechtzeitig daraufgekommen … Es ist gut möglich, daß ich mit meinen Annahmen bisher recht gehabt habe, oder jedenfalls fast … Noch einmal von vorn anfangen können … Er setzte sich mit einem Ruck auf. Verdammt, er hatte den Fuß vergessen. Mit einem Klagelaut ließ er sich zurücksinken. Das war überhaupt die Idee. Er konnte doch tatsächlich von vorn anfangen. Warum nicht? »Lewis, ich möchte Sie um einen oder zwei Gefallen bitten. Zuerst brauche ich Papier – unten im Schreibtisch muß was liegen, und außerdem kriege ich allmählich Hunger. Was meinen Sie zu Fisch und Chips?«
    Lewis nickte und ging, um erst einmal das Schreibpapier zu holen.
    »Ach, Lewis, ich merke gerade – es sind drei Gefallen. Machen Sie mir, bevor Sie gehen, noch ein paar Dosen Bier auf, ja?«
     
    Seit einigen Tagen spukte Morse ein Gedanke im Kopf herum. Ein wichtiger Gedanke, aber schwer zu greifen. Wenn es ihm gelänge, ihn in Worte zu fassen, so hätte er eine Basis, auf der er aufbauen könnte. Am Anfang war die Hyp o these. Aber bevor er sich daran machen würde, irgendwelche Annahmen zu formulieren, wenn auch nur ganz kleine, bescheidene Annahmen, wollte er doch lieber erst Toilette machen. Frisch gewaschen und rasiert, dachte es sich besser. Er stieg langsam und sehr vorsichtig aus dem Bett und hüpfte, sich mit einer Hand an der Wand abstützend, ins Badezimmer. Er brauchte fast eine Stunde, aber danach fühlte er sich wie neu geboren. Der Rückweg war eine Strapaze, aber schließlich lag er glücklich wieder im Bett. Mit großer Behutsamkeit bettete er den Fuß auf ein Kissen. Erschöpft schloß er die Augen und schlief ein. Der Duft von frittierter Panade und von Essig weckte ihn.
    »Wie spät ist es, Lewis? Ich war eingeschlafen.«
    »Viertel nach eins, Sir. Wollen Sie für den Fisch und die Fritten einen Teller? Meine Frau und ich essen sie immer gleich so – das schmeckt irgendwie besser.«
    Morse nickte. »Das ist das aufgeweichte Zeitungspapier, das immer dazwischen klebt.« Er nahm das fettige Päckchen heißhungrig in Empfang und machte sich darüber her. »Wissen Sie, Lewis«, murmelte er kauend, »wir haben den Fall falsch angefaßt.«
    Lewis versah das wir für sich im stillen mit einem Fragezeichen.
    »Wir haben versucht, den Fall zu lösen, um den Mörder zu finden, stimmt’s?«
    »Ich dachte immer, das macht man so.«
    »Im allgemeinen schon, aber vielleicht sollten wir es diesmal doch lieber umgekehrt versuchen.«
    »Sie meinen …«
    Morse wartete, sah dann aber, daß er die Erklärung doch wohl selbst

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