Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation
Liebe ist nicht weit.“
„Mein Gott, die Liebe? Wie komme ich darauf?“, fragte er sich. Das Porträt, vor langer, langer Zeit in einer Höhle entstanden, war noch in seinem Kopf.
„Hast du Mond gesehen?“
Der Hirte, der seine Herde Wollziegen über den staubigen Weg führte, sah den Fremden verständnislos und misstrauisch an. „Den Mond?“
„Ja, guter Mann.“ Tamas hatte in seiner guten Laune nur einen Spaß machen wollen.
„Ich habe ihn am Morgen gesehen“, antwortete der Hirte schließlich. „Er ist südlich der Stadt untergegangen. Seid Ihr Himmelsbeobachter? Dann könnt Ihr sicher sagen, wann die Dürre einsetzt.“
Der Mann sah ihn erwartungsvoll an. Tamas wusste nicht, was er sagen sollte. Zum Glück wurde der Hirte abgelenkt, denn seine Ziegen hatten angefangen, auf einem nahe gelegenen Feld Halme zu fressen. Mit lautem Geschrei liefen Bauern herbei. Mit langen Stangen prügelten sie auf die Ziegen ein.
„Verfluchtes Bauernpack!“, schimpfte der Hirte. „Ihr habt kein Recht, meine Tiere zu verjagen. Dafür werdet ihr bezahlen, denn uns gehört das Land von alters her!“
„Ihr zerstört uns Jahr für Jahr die Ernte, wenn ihr eure Ziegen- und Schafherden durch unsere Felder treibt.“
„Ihr habt uns das Land genommen, ihr tötet unsere Tiere oder sperrt sie ein. Ihr seid Diebe!“
„Pass auf, Hirte, was du sagst! Sonst werden wir auch noch zu Mördern!“
Ein großer Mann in einem Lederkittel trat drohend auf den Hirten zu und schwang eine Metallaxt.
„Nein, mein Sohn, lass ihn ziehen“, beschwichtigte eine ältere Frau den Mann. „Lass ihn seine Herde wieder zusammentreiben und gehen. Sonst werden wir niemals Frieden finden.“
Der Hirte zog sich unter wüsten Drohungen zurück.
„Ich komme mit meinen Leuten zurück. Wir werden uns rächen, Bauer! Wir haben die besseren Waffen als ihr, denke daran. Wir werden dafür sorgen, dass das Land wieder für unsere Herden da ist!“
// GESCHICHTE VOM ERSTEN MÖRDER //
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Diese Geschichte wird sowohl in der Bibel als auch im Koran erzählt: Ackerbauer Kain erschlägt seinen Bruder, den Wanderhirten Abel . Beide waren die ältesten Söhne Adam und Evas, nach der Bibel die Ureltern aller Menschen. Gott, so beobachtete Kain mit den Jahren, gefiel das Fleisch, das die nomadische Lebensweise brachte, besser als die Feldfrüchte. Die Jäger standen höher in seiner Gunst als die Bauern. Daher nahm der Schöpfer der Welt die Opfergaben des Hirten an, verschmähte jedoch die des Bauern. Kain wurde neidisch. Sein Ärger und seine Wut wuchsen, immer mehr böse Gedanken kamen ihm. Gott, der Allwissende, merkte, was sich da anbahnte. Er ermahnte Kain mehrfach. Doch dieser hörte nicht darauf und eines Tages, als der Neid in totalen Bruderhass umgeschlagen war, erschlug Kain Abel. Gott bestrafte den Mörder für seine Tat, verstieß ihn und verpasste ihm ein Erkennungszeichen auf der Stirn, das „Kainsmal“.
Tamas hatte die Szene schweigend aus der Nähe beobachtet. Die Bauern kamen auf ihn zu.
„Wer bist du? Hirte?“, fragte der Mann mit der Axt. Er sah noch so wütend aus, als brauchte er unbedingt ein Opfer, um sich abzureagieren.
„Sei nicht dumm, Utulk“, sagte die ältere Frau, „siehst du etwa seine Tiere? Wer seid Ihr, mein Herr? Ihr seht nicht so aus, als kämet Ihr aus dieser Gegend.“
„Nein, ich komme ...“ Tamas stockte. Woher kam er eigentlich? „Ich bin ein Wanderer“, sagte er schnell, ehe die Leute misstrauisch wurden.
„Was ist Euer Ziel?“
„Ich hörte von Uruk, der großen Stadt am Fluss. Dorthin gehe ich.“
„Sie ist noch eine Tagesreise entfernt. Ihr seid sicher hungrig und durstig. Kommt mit uns und stärkt Euch für die weitere Reise“, lud ihn die freundliche Frau ein. Tamas ging mit der Gruppe zu einer Siedlung, die aus niedrigen Hütten bestand. Die Wände waren aus Sandstein gebaut, die Dächer bestanden aus Blättern und Lehm. Sie wurden von Holzpfeilern getragen.
„Setzt Euch, bitte“, forderte die Frau ihn auf. „Utulk, mein Sohn, bringst du bitte die Milch, das Brot und das getrocknete Fleisch aus der Kammer.“ Tamas setzte sich auf die Bank vor der Hütte. Andere Bewohner der Siedlung kamen neugierig näher, Frauen und Kinder, die in der Nähe Nüsse gesammelt hatten, Männer, die eine Fläche zwischen den Häusern mit Pfählen und Ästen eingezäunt hatten. Darin liefen Schweine, Hühner und Enten umher. Auch Schafe und Ziegen waren zu sehen,
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