Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation
und brachte ihn damit zurück in die Gegenwart. Aus einem abzweigenden Gang kam ein schwaches Echo des Flötenspiels zurück. Hatte es sich zuvor noch im ganzen Raum ausgebreitet, war die Richtung nun klar und eindeutig.
„Das ist der Weg, den wir heute gehen müssen. Folgt mir, es ist nicht mehr weit.“
Die Gruppe betrat den Seitengang, aus dem das Echo kam. Nach einigen Windungen blieb Sano stehen.
„Wir sind angekommen. Dies ist der heilige Ort, den uns die Geister mit dem Echo gewiesen haben. Richtet das Lager ein, wir werden einige Stunden, vielleicht einen Tag bleiben.“
Sie luden ihre Fellsäcke ab mit dem gedörrten Hirschfleisch als Proviant, den verschiedenen Farbpulvern, den Pinseln, den Stücken vom Baumharz, den Fackeln, der Holzkohle, Feuersteinen und trockenen Holzspänen.
Als das Feuer aus Moos und Hölzern, die sie mitgebracht hatten, brannte und der Rauch in die Höhe zog, sang Sano leise, kaum hörbar den Gesang der Höhlenmaler:
„Am Ort des Diesseits und des Jenseits,
am Eingang des Tores zur anderen Welt
bitten wir euch, ihr Götter,
um euren Beistand
und bringen euch unsere Opfer dar.“
Er begann, mit erhobenen Armen zu tanzen, und forderte seine Schüler auf, es ihm gleichzutun. Einer nach dem anderen schloss sich an. Die Zeremonie dauerte, so lange die Fackeln brannten.
Dann wurden neue angezündet, das Feuer geschürt, das Harz auf einem Holz zerkleinert, über dem Feuer weich und flüssiger gemacht.
Die Götter haben das Tor geöffnet
An einer Wand waren Zeichen, Striche, eine Reihe von Punkten in Wellenlinien angeordnet zu sehen. Auch Abdrücke von Händen. Sano, der Laktis Blicke bemerkte, erklärte, als sie begannen, die Farben zu mischen:
„Vor langer, langer Zeit, als die Kältezeit begann und die Tage nicht mehr hell wurden, haben Menschen, die von weit her gekommen sind, in diesem Tal Heimat gesucht. Ihr Unterschlupf waren die Höhlen in diesen Bergen. Was ihr seht, sind die ersten Zeichen der Menschen. Ich kann nicht sagen, was diese Punkte und Striche bedeuten, was die Hände uns sagen wollen. Doch was wir sagen wollen, weiß ich. Unsere Malerei, die wir an diesen heiligen Orten ausführen, ist unsere geringe Gabe für die Götter. Sie mögen sie annehmen und uns und unsere Sippen beschützen. So lasst uns beginnen. Seid ihr bereit, meine Schüler?“
„Wir sind bereit!“, riefen sie.
Sie begannen mit der Arbeit. Lakti zeichnete mit dem Holzkohlestift eine Jagdszene mit einem Mammut. Das Knistern des Feuers war das einzige Geräusch in der Tiefe. Er fühlte eine Energie, die ihn vorantrieb.
Die Götter haben das Tor geöffnet, dachte er. Sie haben uns gehört, sie nehmen unsere Gaben an. Dafür schenken sie uns besondere, neue fantastische Fähigkeiten. Er war berauscht davon, wie leicht ihm das Gestalten von der Hand ging, wie lebendig die Hirsche, Rehe und Mammuts wirkten, die er an die Wand zeichnete und dabei die Ecken und Kanten des Felsens mit einbezog. Wie wunderbar die Pferde anzuschauen waren, die er, in räumlicher Tiefe gestaffelt, in Ockerfarben malte. Die Geister führen unsere Hand, dachte er. Er arbeitete wie besessen, wie auch die anderen Schüler an anderen Stellen der Höhle. Jeder hatte nur Augen für seine eigenen Darstellungen. Alle spürten die Kraft, die Inspiration dieses Ortes tief in der Dunkelheit der Höhle, weit entfernt von allen anderen Menschen und Ablenkungen. Sano zeichnete in einer anderen Ecke. Er hielt sich bei den Schülern zurück, ging nur von Zeit zu Zeit, leise Beschwörungen flüsternd, an ihren Arbeiten vorbei und beleuchtete sie mit einer Fackel.
PLÖTZLICH WAR DIE HÖHLENMALEREI DA
/////////////////////////////////////
Wie auf ein geheimes Kommando wurden ungefähr ab 30 000 Jahren vor unserer Zeitrechnung zahlreiche Höhlen vor allem in Frankreich und Spanien mit Darstellungen versehen. Die meisten von ihnen, darin sind sich die Fachleute einig, stammen von begabten Künstlern der Menschenart Homo sapiens . Die Maler und ihre Helfer müssen fähig gewesen sein, die Höhlen mit Fackeln oder Lampen auszuleuchten.
Diese Kunstwerke waren plötzlich da, denn vor dieser Zeit gab es nichts, was auch nur im Entferntesten an solche Tätigkeiten erinnerte. Viele Wissenschaftler sind heute sicher: Es ging bei diesen Kunstwerken vor allem um Gottesdienst, um Beschwörung, um das Aufstoßen eines Tores in die andere Welt, um die Verbindung vom Diesseits zum Jenseits. //
In diesem Kult spielten die Tiere die
Weitere Kostenlose Bücher