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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hinter der Sache steckte, mußte Mittel ihn zum Sprechen bringen. Das Problem war, daß Pounds selbst nichts wußte. Er konnte nichts verraten. Er wurde gefoltert, bis sein Herz aufgab.
    Eine Frage konnte Bosch sich allerdings nicht beantworten. Was wußte Arno Conklin von all dem? Bosch hatte ihn noch nicht aufgesucht. Hatte er von dem Mann gehört, der an Mittel herangetreten war? Hatte er Pounds’ Ermordung angeordnet, oder war das allein Mittels Entscheidung gewesen?
    Dann entdeckte Bosch ein Problem bei seiner Theorie. Mittel hatte ihn von Angesicht zu Angesicht gesehen, als er sich als Harvey Pounds ausgegeben hatte. Der Umstand, daß Pounds gefoltert wurde, bevor er starb, ließ darauf schließen, daß Mittel nicht dabei war. Sonst hätte er gesehen, daß es der falsche Mann war. Bosch fragte sich, ob sie inzwischen wußten, daß sie den falschen Mann getötet hatten, und ob sie jetzt nach dem richtigen suchten.
    Er dachte darüber nach, warum Mittel nicht dabeigewesen war, und kam zu dem Schluß, daß es ins Bild paßte. Mittel war nicht der Typ, der sich die Hände dreckig machen würde. Es fiel ihm wahrscheinlich nicht schwer, den Auftrag zu einem Mord zu geben, solange er nicht anwesend sein mußte. Bosch erinnerte sich, daß auch der Surfer im Anzug ihn genau gesehen hatte und daher nicht direkt am Mord beteiligt sein konnte. Blieb nur noch der Mann, den er durch die Terrassentüren gesehen hatte. Der vierschrötige Mann mit dem massiven Hals. Mittel hatte ihm den Zeitungsausschnitt gezeigt. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er nicht einschätzen konnte, ob und wann ihn das gleiche Schicksal ereilen würde wie Pounds. Er griff in seine Jackentasche und holte Zigaretten und Feuerzeug heraus.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, nicht zu rauchen?« fragte Toliver. Es waren seine ersten Worte seit dreißig Minuten.
    »Ja, es würde mir etwas ausmachen.«
    Bosch zündete die Zigarette an und steckte sein Bic weg. Dann ließ er das Fenster herunter. »So, ist das jetzt besser? Die Abgase sind schlimmer als der Rauch.«
    »Das ist ein Nichtraucherauto.«
    Toliver klopfte mit dem Finger auf einen Plastikmagneten, der außen auf dem Aschenbecher angebracht war. Sie waren verteilt worden, als die Stadt eine Verordnung gegen das Rauchen in öffentlichen Gebäuden verabschiedet hatte, und die Hälfte der Wagen im Polizeifuhrpark zu Nichtraucherautos erklärt worden waren. Auf dem Magnet war eine Zigarette in der Mitte eines roten Kreises abgebildet, durch die ein Querstrich ging. Unter dem Kreis stand: VIELEN DANK FÜRS NICHTRAUCHEN. Bosch griff zum Aschenbecher, entfernte den Magneten und warf ihn aus dem Fenster. Er sah, wie er vom Asphalt wieder hochsprang und dann an der Tür eines Autos in der nächsten Fahrbahn klebenblieb.
    »Nicht mehr. Jetzt ist es ein Raucherauto.«
    »Sie sind wirklich ein kaputter Typ, Bosch.«
    »Okay, schreiben Sie eine Beschwerde. Die können Sie dann zusammen mit dem Verfahren wegen Umgangs mit Kriminellen, das Ihr Boß einleiten will, einreichen. Ist mir scheißegal.«
    Sie schwiegen einige Momente, der Wagen rollte langsam weiter.
    »Er blufft, Bosch. Ich dachte, Sie wüßten das.«
    » Wieso? «
    Er war überrascht, daß Toliver seinen Boß verriet.
    »Er blufft. Das ist alles. Er ist wütend wegen der Sache mit dem Tisch. Aber er weiß, daß er Ihnen nichts anhängen kann. Es ist ein alter Fall. Totschlag. Ein Streit zwischen Mann und Frau. Sie hat fünf Jahre auf Bewährung erhalten. Sie müssen nur sagen, Sie wußten es nicht, und es landet im Papierkorb.«
    Bosch konnte sich denken, worum es gegangen war. Während ihrer Beichtstunde hatte sie es ihm im Grunde erzählt. Sie war zu lange mit jemandem zusammengeblieben. Das war es, was sie gesagt hatte. Er erinnerte sich an die Gemälde in ihrem Studio. Das graue Porträt mit den roten Flecken, die wie Blut aussahen. Er versuchte, seine Gedanken davon zu lösen.
    »Warum erzählen Sie mir das, Toliver? Warum stellen Sie sich gegen Ihren eigenen Verein?«
    »Weil es nicht mein Verein ist. Weil ich wissen will, was Sie damit meinten, was Sie mir auf dem Korridor gesagt haben.«
    Bosch konnte sich nicht einmal erinnern, was er gesagt hatte.
    »Sie sagten, es wäre noch nicht zu spät. Wofür nicht zu spät?«
    »Nicht zu spät, um da rauszukommen«, sagte Bosch, der sich jetzt an seine höhnische Bemerkung erinnerte. »Sie sind noch jung. Verlassen Sie das DIE, bevor es zu spät ist. Wenn Sie zu lange bleiben, schaffen Sie es nie.

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