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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Geschichte in ein zusammenhängendes Ganzes zu bringen, und dachte eine Weile darüber nach. Schließlich entschloß er sich, es zu probieren.
    »Ich bin bereit.«
    »Okay, zuerst muß ich Ihnen Ihre Rechte vorlesen.«
    »Was, schon wieder?«
    »Es ist nur eine Formalität, damit es nicht so aussieht, als würden Polizisten Sonderbehandlung genießen. Vergessen Sie nicht, daß Sie heute abend an zwei Orten waren, wo sich jeweils eine Person zu Tode stürzte. Das sieht nicht gut aus.«
    »Ich habe Conklin nicht getötet.«
    »Das weiß ich, und wir haben die Aussage des Wachmanns. Er sagt, Sie gingen, bevor Conklin aus dem Fenster fiel. Es wird Ihnen also nichts passieren. Sie sind entlastet, aber ich muß mich an die Vorschriften halten. Also, wollen Sie immer noch reden?«
    »Ich verzichte auf meine Rechte.«
    Irving las sie ihm trotzdem von einem Kärtchen vor, und Bosch verzichtete noch einmal darauf, seine Rechte wahrzunehmen.
    »Okay, gut. Ich habe kein Verzichtsformular. Sie werden dann später eins unterschreiben müssen.«
    »Wollen Sie, daß ich die Geschichte erzähle?«
    »Ja, das möchte ich.«
    »Dann hören Sie zu.«
    Aber dann zögerte er, als er es in Worte fassen wollte.
    »Harry?«
    »Okay, fangen wir an. 1961 traf Arno Conklin Marjorie Lowe. Er wurde ihr von dem Schwein Fox vorgestellt, der mit Kuppelei sein Geld verdiente. Das erste Treffen zwischen ihnen fand auf dem St.-Patricks-Ball in der Freimaurerloge am Cahuenga Boulevard statt.«
    »Das ist das Foto in der Aktentasche, richtig?«
    »Richtig. Arno erzählte mir – und ich glaube ihm –, er wußte beim ersten Treffen nicht, daß Marjorie Profi und Fox Zuhälter war. Fox erkannte seine Chance und fädelte die Sache mit Blick auf die Zukunft ein. Wenn Conklin gewußt hätte, daß das Vergnügen nicht umsonst war, hätte er sich nicht darauf eingelassen. Er war Leiter der Sonderkommission für Sittlichkeitsverbrechen.«
    »Also wußte er auch nicht, wer Fox war?« fragte Irving.
    »Genau. Er sagte, er wäre unschuldig hineingeschlittert. Falls das schwer zu glauben ist, die Alternative ist noch unglaubhafter. Es ist kaum anzunehmen, daß dieser Staatsanwalt wissentlich mit solchen Leuten in der Öffentlichkeit verkehren würde. Also glaube ich seine Version. Er hatte keine Ahnung.«
    »Okay, er wußte nicht, daß sein Ruf auf dem Spiel stand. Was wollten Fox und … Ihre Mutter aus der Sache herausschlagen?«
    »Sein Motiv ist leicht zu erklären. Fox hatte Conklin in dem Moment, als er seine Affäre mit Marjorie begann, in der Hand. Falls er ihn brauchte, mußte er nur an der Leine ziehen. Bei Marjorie ist es anders. Ich habe viel darüber nachgedacht, aber mir ist es immer noch nicht klar. Sicher, die meisten Frauen in ihrer Situation suchen nach einem Ausweg. Vielleicht hatte sie einen eigenen Plan und ist deshalb auf Fox’ Idee eingegangen.«
    Irving nickte und baute die Hypothese aus.
    »Sie hatte einen Jungen im Heim und wollte ihn rausholen. Die Affäre mit Arno konnte ihr dabei nützlich sein.«
    »Richtig. Aber keiner der drei rechnete mit folgender Entwicklung: Arno und Marjorie verliebten sich ineinander. Zumindest Arno verliebte sich. Und er glaubte, daß sie sich auch in ihn verliebt hatte.«
    Irving setzte sich auf einen Stuhl in der Ecke, kreuzte die Beine und betrachtete Bosch nachdenklich. Er sagte nichts. Aber seine Haltung schien auszudrücken, daß die Geschichte ihn fesselte und er sie Wort für Wort glaubte. Boschs Arm wurde müde, den Eisbeutel auf den Kopf zu drücken. Er wünschte, er könnte sich irgendwo hinlegen. Aber es gab nur diesen Tisch im Untersuchungszimmer. Er fuhr fort.
    »Sie verliebten sich also und blieben zusammen, und eines Tages erzählte sie es ihm. Oder Mittel hat Nachforschungen angestellt und es ihm gesagt. Egal … Wichtig ist, daß Conklin irgendwann die Wahrheit wußte. Und wieder überrascht er alle.«
    »Wie?«
    »Am 27. Oktober 1961 hält er um ihre Hand …«
    »Das hat er Ihnen erzählt? Arno hat Ihnen das erzählt?«
    »Heute abend. Er wollte sie heiraten. Sie wollte ihn heiraten. An dem Abend entschloß er sich endgültig, alles hinzuwerfen, alles zu riskieren, um das zu erringen, was er am meisten wollte.«
    Bosch griff in seine Jacke auf dem Tisch und holte seine Zigaretten heraus. Irving räusperte sich.
    »Ich glaube nicht, daß hier … ach nichts, schon gut.«
    Bosch steckte sich eine Zigarette mit dem Feuerzeug an.
    »Es war das Mutigste, was er je in seinem Leben gemacht hat.

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