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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Sie ihr erzählt?«
    »Genug, daß Sie die Angelegenheit nicht einfach vertuschen können.«
    »Bosch …«
    Er beendete seinen Satz nicht. Endlich brach Bosch das lange Schweigen.
    »Sie wollten die Sache vertuschen, oder nicht? Auf den Müll werfen – wie ihre Leiche. Nach allem, was passiert ist, zählt sie immer noch nicht, stimmt’s?«
    »Sie wissen nicht, wovon Sie reden.«
    Bosch setzte sich auf. Er war jetzt wütend. Sofort begann sich sein Kopf zu drehen. Er schloß die Augen, bis es vorbei war.
    »Nun, warum erzählen Sie mir nicht, was ich nicht weiß? Okay, Chief? Sie sind derjenige, der nicht weiß, wovon er redet. Ich hab’ erfahren, was Sie der Presse erzählen. Daß es nicht unbedingt eine Verbindung zwischen Conklin und Mittel gibt. Was für … Bilden Sie sich etwa ein, daß ich das so einfach durchgehen lasse? Und Vaughn. Sein Name wird nicht einmal erwähnt. Ein Gorilla im Overall, der zuerst Conklin aus dem Fenster wirft und dann bereit ist, mich in den Boden zu rammen. Er hat Pounds umgebracht, und er wird nicht einmal erwähnt. Also Chief, warum erklären Sie mir nicht, was ich nicht weiß?«
    »Bosch, hören Sie. Hören Sie mir zu. Für wen hat Mittel gearbeitet?«
    »Weiß ich nicht. Schert mich auch einen Dreck.«
    »Er war für sehr mächtige Leute tätig. Einige der mächtigsten Persönlichkeiten in diesem Staat, in diesem Land. Und …«
    »Ist mir scheißegal.«
    »… für die meisten Mitglieder des Stadtrats.«
    »Und? Was wollen Sie damit sagen? Der Stadtrat, der Gouverneur, Senatoren und alle möglichen Leute mischen sich jetzt auch ein? Und Sie passen auf, daß Sie nichts auf die weiße Weste bekommen?«
    »Bosch, beruhigen Sie sich bitte und werden Sie vernünftig. Natürlich sage ich das nicht. Ich versuche Ihnen nur zu erklären, wenn Sie Mittels Ruf ruinieren, dann ruinieren Sie gleichzeitig den Ruf mächtiger Persönlichkeiten, die mit ihm bekannt waren oder seine Dienste in Anspruch nahmen. Und das kann für die Polizei, für Sie und für mich Konsequenzen unabsehbaren Ausmaßes haben.«
    Bosch verstand. Irving, der Pragmatiker, hatte – wahrscheinlich zusammen mit dem Police Chief – entschieden, daß das Wohl der Polizei und die eigenen Karrieren wichtiger waren als die Wahrheit. Die ganze Angelegenheit stank zum Himmel. Bosch fühlte, wie eine Welle der Erschöpfung über ihm zusammenschlug. Er ertrank. Es war alles zuviel.
    »Und indem Sie es vertuschen, helfen Sie denen in unübersehbarem Ausmaße, nicht wahr? Ich bin sicher, daß Sie und der Chief den ganzen Morgen damit verbracht haben, die Großen und Mächtigen davon zu unterrichten. Jetzt stehen sie bei Ihnen und der Polizei dick in der Kreide. Ein Wahnsinns-Deal. Ich schätze, es spielt keine Rolle, daß die Wahrheit dabei unter die Räder kam.«
    »Bosch, ich möchte, daß Sie die Reporterin wieder anrufen. Sagen Sie ihr, daß Sie eine Gehirnerschütterung haben und …«
    »Nein! Ich rufe niemanden an. Es ist zu spät. Ich habe ihr die Story erzählt.«
    »Aber nicht die ganze. Die ganze Wahrheit könnte auch Ihnen schaden, nicht wahr?«
    Es war heraus. Irving wußte Bescheid. Zumindest hatte er kombiniert, daß Bosch Pounds’ Namen benutzt hatte und so letztendlich für dessen Tod verantwortlich war. Dieses Wissen war nun seine Trumpfkarte.
    »Wenn ich die Kontrolle über die Angelegenheit verliere«, fügte Irving hinzu, »werde ich eventuell gegen Sie vorgehen müssen.«
    »Das ist mir egal«, sagte Bosch ruhig. »Tun Sie, was Sie wollen, Chief. Aber die Story wird veröffentlicht. Die Wahrheit.«
    »Aber ist es wirklich die Wahrheit? Die ganze Wahrheit? Ich bezweifle es, und tief im Innern weiß ich, daß Sie es auch bezweifeln. Wir werden nie die ganze Wahrheit wissen.«
    Schweigen folgte. Bosch wartete darauf, daß Irving mehr sagte. Als das Schweigen andauerte, legte er auf. Dann zog er den Stecker aus der Dose und schlief endlich ein.

45
    B osch wachte am nächsten Morgen um sechs auf und erinnerte sich schwach, daß sein Schlaf durch ein fürchterliches Abendessen sowie durch die Krankenschwestern mehrmals unterbrochen worden war. Sein Kopf fühlte sich geschwollen an. Er berührte vorsichtig die Wunde und stellte fest, daß sie noch genauso empfindlich war wie am Vortag. Danach stand er auf und ging ein wenig im Zimmer auf und ab. Sein Gleichgewichtsgefühl schien wieder in Ordnung zu sein. Im Badezimmer sah er, daß seine Augen immer noch in allen Regenbogenfarben schillerten. Aber die Pupillen

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