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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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waren jetzt gleich groß. Es war Zeit zu gehen. Er zog sich an und verließ das Zimmer. Seine Aktentasche trug er in der Hand, und die ruinierte Jacke hatte er über den Arm gelegt.
    Neben dem Schwesternzimmer drückte er auf den Knopf für den Aufzug. Er bemerkte, daß eine der Schwestern hinterm Schalter ihn beobachtete. Anscheinend erkannte sie ihn nicht sofort in seiner Straßenkleidung.
    »Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen helfen?«
    »Nein, danke.«
    »Sind Sie Patient?«
    »Ich war. Jetzt gehe ich. Zimmer 419. Bosch.«
    »Einen Augenblick. Was haben Sie vor?«
    »Ich gehe. Nach Hause.«
    »Was?«
    »Schicken Sie mir die Rechnung.«
    Der Aufzug öffnete sich, und er stieg ein.
    »Das können Sie nicht tun«, rief die Krankenschwester. »Lassen Sie mich den Arzt holen.«
    Bosch hob seine Hand und winkte zum Abschied.
    »Warten Sie!«
    Die Tür schloß sich.
    In der Eingangshalle kaufte er sich eine Zeitung und stieg dann in ein Taxi. Er bat den Fahrer, ihn nach Park La Brea zu fahren. Unterwegs las er Keisha Russels Artikel. Er stand auf der ersten Seite und brachte in gekürzter Form, was er ihr gestern erzählt hatte. Alles wurde unter dem Vorbehalt berichtet, daß die Ermittlungen noch liefen – trotzdem war es eine erstklassige Story.
    Bosch wurde im Artikel namentlich als Quelle und Hauptakteur erwähnt. Irving wurde ebenfalls mit seinem Namen als Quelle identifiziert. Der Assistant Chief mußte sich am Ende entschieden haben, die Wahrheit – oder eine Version davon – zu erzählen, da Bosch nun einmal die Katze aus dem Sack gelassen hatte. Es war die pragmatischste Lösung. So erweckte er den Anschein, er hätte den Überblick. In dem Artikel repräsentierte Irving die Stimme der Vernunft. Auf Zitate von Bosch folgte meist etwas vom Assistant Chief, der einschränkte, daß die Ermittlungen gerade erst begonnen hätten und man noch keine endgültigen Schlüsse ziehen könne.
    Am besten gefielen Bosch die Erklärungen von einigen bekannten Persönlichkeiten, darunter die meisten Mitglieder des Stadtrats. Sie gaben ihrem Schock darüber Ausdruck, daß Mittel und Conklin umgekommen und in einen Mord, beziehungsweise dessen Vertuschung verwickelt waren. Außerdem wurde berichtet, daß die Polizei nach Jonathan Vaughn, einem Angestellten Mittels, als Mordverdächtigem fahnde.
    Am ungenauesten war der Artikel in bezug auf Pounds. Es wurde nicht erwähnt, daß Bosch verdächtigt oder bezichtigt wurde, Pounds’ Namen benutzt zu haben. Daß man ihm vorwarf, seinen Tod dadurch verschuldet zu haben. Irving erklärte nur, daß der Fall noch untersucht werde und daß es so aussehe, als sei Pounds auf die gleiche Spur wie Bosch gestoßen.
    Irving hatte Russel nicht alles erzählt, obwohl er damit gedroht hatte. Wahrscheinlich hatte der Assistant Chief doch kein Interesse, die schmutzige Wäsche der Polizei in aller Öffentlichkeit zu waschen. Die Wahrheit würde Bosch schaden, aber auch der Polizei insgesamt. Falls Irving etwas gegen ihn unternahm, dann wohl eher intern und hinter verschlossenen Türen.
    Sein Mietwagen stand noch auf dem Parkplatz des Pflegeheims. Er hatte Glück. Der Schlüssel war noch im Schloß, wo er ihn gerade hineingesteckt hatte, als er von Vaughn niedergeschlagen worden war. Er bezahlte den Taxifahrer und ging zum Mustang.
    Bosch beschloß, Mount Olympus einen Besuch abzustatten, bevor er zum Mark Twain fuhr. Er steckte das Kabel seines Handys zum Aufladen in den Zigarettenanzünder und fuhr den Laurel Canyon Boulevard hoch.
    Auf dem Hercules Drive stoppte er vor der Auffahrt zu Mittels Raumschiff. Das Tor war geschlossen. Ein gelbes Absperrband der Polizei hing herunter. Bosch entdeckte keine Wagen auf der Auffahrt. Alles war ruhig und friedlich. Bald würde hier ein Schild ›Zu verkaufen‹ aufgestellt werden, und dann würde der nächste Größenwahnsinnige einziehen und sich für den Herrscher der Stadt unten halten.
    Bosch fuhr weiter. Es war nicht Mittels Haus, was ihn hier hinaufgeführt hatte.
    Fünfzehn Minuten später bog Bosch um die wohlbekannte Kurve auf dem Woodrow Wilson Drive, und auf einmal war nichts mehr wohlbekannt. Sein Haus stand nicht mehr da. Wie ein fehlender Zahn klaffte eine Lücke in der Landschaft.
    Am Straßenrand vor seinem Grundstück standen zwei riesige Container für Abbruchmüll, randvoll mit Holzstücken, verbogenem Metall und Glasscherben, den Trümmern seines Hauses. Ein Umzugscontainer stand daneben, und Bosch nahm an – beziehungsweise hoffte –,

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