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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Parkplatz spähte. Du wohnst in einem abbruchreifen Haus, das nach Meinung der Bauaufsicht jeden Moment den Hang hinunterrutschen kann, aber du fährst nicht in ein Parkhaus. Endlich fand er einen Platz einen Block von der Promenade entfernt.
    Bosch verbrachte die Stunden des Berufsverkehrs, indem er die drei Straßenblocks mit Restaurants im Freien, Kinos und Geschäften auf und ab ging. Er ging ins King George am Santa Monica Boulevard, eine Stammkneipe der Detectives vom West-L. A.-Revier, sah jedoch niemanden, den er kannte. Danach aß er ein Stück Pizza aus der Hand und beobachtete die Menschen. Er schaute einem Artisten zu, der mit fünf Fleischermessern jonglierte, und glaubte zu wissen, wie der Mann sich dabei fühlte.
    Schließlich setzte er sich auf eine Bank und beobachtete die Leute, die vorbeigingen. Die einzigen, die stehenblieben und ihm Aufmerksamkeit schenkten, waren die Obdachlosen. Bald hatte er kein Kleingeld und keine Dollarscheine mehr. Bosch fühlte sich einsam. Er dachte an Katherine Register und das, was sie über die Vergangenheit gesagt hatte. Sie hatte erklärt, daß sie stark sei. Er wußte jedoch, daß einem Trost und Stärke aus Traurigkeit erwachsen konnte. Das war anscheinend bei ihr der Fall.
    Er dachte darüber nach, was sie vor fünf Jahren getan hatte. Ihr Mann war tot, sie hatte Bilanz gezogen und die Wunde in ihren Erinnerungen entdeckt. Den Schmerz. Sie hatte ihm die Karte in der Hoffnung geschickt, daß er etwas unternehmen würde. Und es hätte beinahe geklappt. Er hatte das Mordbuch ausgeliehen. Dann war er aber nicht stark – oder schwach – genug gewesen, es anzusehen.
    Als es dunkel war, ging er den Broadway hinunter zu Mr. B., fand einen Barhocker und bestellte ein Bier sowie einen Jack Daniels. Hinten auf dem kleinen Podium spielte ein Quintett, das von einem Tenorsaxophon angeführt wurde. Sie beendeten ›Do Nothing Till You Hear from Me‹ und Bosch hatte den Eindruck, daß es das Ende eines langen Sets war. Das Saxophon spielte schleppend. Der Sound war nicht sauber.
    Enttäuscht wandte er sich von der Gruppe ab und nahm einen großen Schluck. Er sah auf die Uhr und wußte, er würde jetzt freie Fahrt haben. Aber er blieb. Er griff nach dem Whiskey, kippte ihn ins Bierglas und schüttete sich die brutale Mischung den Hals hinunter. Die Band begann ›What a Wonderful World‹. Aber keiner der Musiker trat nach vorne, um zu singen. Schließlich konnte niemand Louis Armstrong das Wasser reichen. Es war okay. Bosch kannte den Text.
     
    I see trees of green
    Red roses, too
    I see them bloom
    For me and you
    And I think to myself
    What a wonderful world
     
    Der Song stimmte ihn traurig, und er fühlte sich einsam. Aber das war okay. Einsamkeit war wie eine ramponierte Parkbank, auf der er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Er gewöhnte sich wieder an sie. So war sein Leben vor Sylvia gewesen und so könnte es wieder werden. Es erforderte nur Zeit und Trennungsschmerz.
    In den drei Monaten, seit sie weg war, hatte er eine Postkarte erhalten – sonst nichts. Ihre Abwesenheit hatte seinen Sinn für Kontinuität zerstört. Vor ihr hatte sich sein Leben auf den eisernen Schienen seines Berufs bewegt. So zuverlässig wie der Sonnenuntergang über dem Pazifik. Mit ihr hatte er versucht, sein Leben auf ein anderes Gleis zu bringen. Die mutigste Veränderung, die er je gewagt hatte. Irgendwie hatte er jedoch versagt. Es hatte nicht gereicht, sie zu halten, und sie war gegangen. Jetzt fühlte er sich, als sei er aus den Schienen gesprungen. In seinem Inneren war er zersplittert wie diese Stadt. Zerborsten durch geologische und andere Erdbeben.
    Er hörte in seiner Nähe eine weibliche Stimme, die den Text sang. Als er sich umdrehte, sah er ein paar Barhocker entfernt eine junge Frau, die mit geschlossenen Augen leise mitsang. Sie sang nur für sich, aber Bosch konnte sie hören.
     
    I see skies of blue
    And clouds of white
    The bright blessed day
    The dark sacred night
    And I think to myself
    What a wonderful world
     
    Sie trug einen kurzen, weißen Rock, ein T-Shirt und eine bunte Weste. Bosch schätzte sie auf höchstens fünfundzwanzig Jahre und es gefiel ihm, daß sie das Lied überhaupt kannte. Sie saß aufrecht, ihre Beine übereinandergeschlagen. Ihr Rücken bewegte sich im Rhythmus des Saxophons. Ihr Gesicht war eingerahmt von braunem Haar und nach oben gerichtet, die Lippen leicht geöffnet – einem verzückten Engel gleich. Sauber oder nicht, der

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