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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Schachtel durch das Fenster. Sie hatte die Größe eines Kartons für Stiefel, war mit feinem Staub bedeckt und mit einem roten Band zugeklebt, das inzwischen rissig geworden war. Bosch ließ seinen Satz unbeendet. Er verabschiedete sich mit einer Handbewegung und trat ans Fenster.
    »Hier unterschreiben«, sagte Nelson.
    Er legte einen gelben Zettel auf die Schachtel und wirbelte eine kleine Staubwolke auf, die er mit der Hand wegwedelte. Bosch unterschrieb und nahm die Schachtel in beide Hände. Als er sich umdrehte, sah er, daß Nelson ihn beobachtete. Nelson nickte einmal. Er wußte, daß jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Fragen war. Bosch nickte zurück und ging zur Tür.
    »Äh, Bosch«, sagte North. »War nicht so gemeint, mit der Liste. Okay?«
    Bosch starrte ihn wortlos an, während er mit seinem Rücken die Tür aufstieß. Dann trug er die Schachtel den Gang entlang, als enthielte sie etwas sehr Wertvolles.

17
    C armen Hinojos saß in ihrem Wartezimmer. Als er sich entschuldigen wollte, weil er ein paar Minuten zu spät kam, winkte sie ab und bat ihn herein. Sie trug heute ein dunkelblaues Kostüm, und als er an ihr vorbeiging, nahm er einen leichten Geruch von Seife wahr. Wie bei den vorigen Malen setzte er sich rechts vom Schreibtisch ans Fenster.
    Hinojos lächelte, und Bosch fragte sich, warum. Es gab zwei Stühle auf seiner Seite. Bisher hatte er sich jedesmal auf den gleichen gesetzt – auf den, der näher am Fenster stand. Er fragte sich, ob es ihr aufgefallen war und was es bedeutete. Falls es etwas bedeutete.
    »Sind Sie müde?« fragte sie. »Sie sehen nicht aus, als ob Sie letzte Nacht viel geschlafen hätten.«
    »Hab’ ich wohl auch nicht. Aber es geht.«
    »Haben Sie Ihre Meinung über das, was wir gestern besprochen haben, geändert?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Sie führen Ihre privaten Ermittlungen fort?«
    »Im Moment ja.«
    Sie nickte, als habe sie das erwartet.
    »Ich möchte heute über Ihre Mutter sprechen.«
    »Warum? Es hat nichts mit dem zu tun, warum ich hier bin, warum ich suspendiert wurde.«
    »Ich glaube, es ist wichtig. Es wird uns helfen herauszufinden, was in Ihnen vorgeht, warum Sie diese Privatermittlungen machen. Es könnte vieles erklären, was Sie in der letzten Zeit getan haben.«
    »Das bezweifle ich. Was wollen Sie wissen?«
    »Gestern haben Sie mehrmals angedeutet, was Ihre Mutter getan hat. Sie haben jedoch nie ausgesprochen, was sie tat und was sie war. Ich habe gestern nach unserer Sitzung darüber nachgedacht und frage mich, ob Sie Schwierigkeiten haben, es zu akzeptieren. So, daß Sie sogar nicht aussprechen können, daß sie …«
    »… eine Prostituierte war. Da, ich hab’s gesagt. Sie war eine Prostituierte. Frau Doktor, ich bin erwachsen. Ich kann die Wahrheit akzeptieren. Ich kann alles akzeptieren, wenn es die Wahrheit ist. Meiner Ansicht nach kommen wir vom Thema ab.«
    »Vielleicht. Was für Gefühle haben Sie hinsichtlich Ihrer Mutter?«
    »Was meinen Sie?«
    »Wut? Haß? Liebe?«
    »Darüber denke ich nicht nach. Sicherlich nicht Haß. Ich habe sie damals geliebt. Das hat sich nicht geändert, als sie nicht mehr da war.«
    »Und das Gefühl, verlassen worden zu sein?«
    »Dafür bin ich zu alt.«
    »Aber damals, als es geschah?«
    Bosch dachte einen Moment nach.
    »Wahrscheinlich. Ihr Lebensstil, ihr Beruf haben sie umgebracht. Und ich blieb eingesperrt. Ich schätze, ich war deshalb wütend und fühlte mich verlassen. Ich war verwundet. Der Schmerz war das Schlimmste. Sie liebte mich.«
    »Sie blieben eingesperrt. Was meinen Sie damit?«
    »Ich erzählte es gestern. Ich war im McClaren, dem Waisenheim für Jungen.«
    »Richtig. Und ihr Tod verhinderte, daß Sie dort rauskamen.«
    »Für eine Weile.«
    »Wie lange?«
    »Mit Unterbrechungen war ich dort, bis ich sechzehn war. Ich hab’ zweimal für einige Monate bei Pflegeeltern gelebt. Aber sie haben mich immer zurückgeschickt. Als ich sechzehn war, hat mich ein Ehepaar aufgenommen. Ich habe bei ihnen gelebt, bis ich siebzehn war. Hinterher habe ich erfahren, daß sie noch ein weiteres Jahr Geld von der Fürsorge bekommen haben.«
    »Fürsorge?«
    »Städtisches Fürsorgeamt. Heute heißt es Jugend- und Sozialamt. Wenn man ein Pflegekind aufnahm, bekam man monatlich einen Pflegesatz. Viele Leute haben Kinder nur wegen des Geldes genommen. Ich sage nicht, daß meine Pflegeeltern es deswegen getan haben. Aber sie haben später der Fürsorge nicht mitgeteilt, daß ich nicht mehr bei

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