Der letzte Drache
schmeckt er im allgemeinen ganz ordentlich. Ich mach uns mal einen.”
“Wenn du meinst. Hast du denn Zucker und Milch?”
“Leider nein. Wieso Milch?”
“Schwarztee trink ich immer mit Milch. Ist mir sonst zu stark. Und grüner Tee ist ja so ähnlich.”
Baldur konnte ein leises Geräusch, das einem Schluchzen ähnelte, nicht unterdrücken, fing sich dann aber wieder und machte sich ans Werk.
“Schade, dass wir das Pergament nicht mehr haben. Wir waren so dicht dran. Wenn wir nur wüssten, wer uns überfallen hat”, klagte er, während er den Wasserkocher einschaltete.
“Ach genau”, antwortete Ella, “das wollte ich dir ja auch noch zeigen. Schau mal.” Sie nahm wieder ihren Tablet, klickte auf Fotos, dann auf Fotostream. Allerlei Fotos wurden auf dem Tablet sichtbar. Eins zeigte Ella in lustiger Pose auf einer Party, ein anderes Ella in einem fremden Land.
“Oh super, bist du gekommen um mir Urlaubsfotos zu zeigen?”, unkte Baldur.
“Schau dir mal das letzte Bild an.” Baldurs Mund öffnete sich und ließ sich nicht so einfach wieder schließen. Er tippte auf das Bild. Es zeigte das Pergament.
“Super, ne? Das Bild wurde vom Telefon gleich nach der Aufnahme in die Cloud übertragen und mit meinem Tablet kann ich darauf zugreifen. Wir haben das Bild noch.”
Baldur zog das Bild mit Daumen und Zeigefinger groß.
“Das ist wirklich super und auch die Auflösung ist prima.” Wenn Baldur etwas spontaner und etwas weniger schüchtern gewesen wäre, hätte er Ella vor Freude in den Arm genommen. War er aber nicht.
“Komm, das schauen wir uns sofort näher an.” Das Erste, was er sah, war ein Symbol. Es sah aus wie ein Drache mit zwei Köpfen, die beide Feuer spien.
“Da schau, das ist doch das Symbol, das der Mönch in seinem Buch beschrieben hat.”
Baldur hatte ein kleines Muttermal an der dem Körper zugewandten Seite seines linken Oberarms. Das sah diesem Bild sehr ähnlich. Er hätte es nie für einen Drachen mit zwei Köpfen gehalten, doch jetzt, da er dieses Bild vor sich sah und die Deutung des Mönchs im Ohr hatte, verzogen sich die Nebel und er sah klar, behielt diesen Teil der Erkenntnis aber lieber für sich.
“Es scheint tatsächlich in mittelhochdeutsch geschrieben zu sein. Das ist seltsam, das Libro Dragonis war in Latein. Der Mönch ging wohl davon aus, dass Dietrichs Nachfahren nicht unbedingt Latein können würden. Das ist richtig schwierig, ich versuchs mal.”
Baldur stürmte aus der Tür und Ella sah ihm etwas irritiert hinterher. Hatte ihn ein dringendes Bedürfnis überwältigt? Doch nur wenige Augenblicke später kam er zurück, einen Stapel Bücher auf dem Arm.
“Das ist der Vorteil, wenn man sein Zimmer in der Bibliothek hat. Das sind die Standardwerke zu Mittelhochdeutsch. Damit knacken wir die Pekanuss.”
Er nahm sich zunächst die Überschrift vor.
“Die... hmm, doch, Die Lämmer..”
“Hä? Lämmer?”
“Warte mal Ella, lass mich mal, die Lämmer … tragen … Hämmer.”
“Baldur, das überzeugt mich nicht. Dreh mal um.”
Baldur wurde rot. Das war ja ganz offensichtlich. Er hatte die Karte falsch herum gehalten. Nun ging es deutlich einfacher und nach einer Stunde Tüftelei hatten Sie das eng beschriebene Pergament übersetzt.
“Das Manifest der Drachenbruderschaft.
Wir sind eine Bruderschaft, verschworen im Willen, die letzten Drachen zu schützen. Dieses sind unsere sieben Regeln, an die wir uns halten und die wir an unsere Kinder und Kindeskinder weitergeben.
1. Nur der ist ein Drachenbruder, dem Drachenblut in den Adern fließt und der das Zeichen der Drachenbruderschaft trägt.
2. Niemandem, der das Zeichen nicht trägt, offenbaren wir jemals unser Geheimnis.
3. Wir tragen das Amulett in Ehren und vererben es in gerader Linie an unsere erstgeborenen Söhne und deren Söhne.
4. Wir tun alles zum Schutze der Drachen und achten ihr Leben mehr als das unsere.
5. Wir hüten und schützen das Geheimnis der Drachen.
6. Wir bekämpfen die sündenreichen Drachentöter
7. Der Kompass soll uns leiten”
Baldur goss Ella und auch sich Tee nach.
“Danke. Schmeckt übrigens wirklich gut, obwohl er keinen Geschmack hat.”
Ella schien diese Bemerkung ernst gemeint zu haben. Das war nun schon der dritte Aufguss und das Koffein tat seine Wirkung, beide waren hellwach. Baldur geriet ins Grübeln. Wenn er sein Mal recht deutete, war er selbst ein Drachenbruder. Oder war das nur eine Laune der Natur? Was meinte der Autor mit der Sache
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