Der letzte Drache
Trekkinghose es außerordentlich komplizierte, Ellas wohlgeformte Beine zur Geltung zu bringen, wäre auch ein Minirock wenig hilfreich gewesen. Die Bundesstraße lag verlassen vor ihnen. Scheinbar wurde sie nur von Pendlern und Touristen genutzt. Mitten in der Woche um diese Zeit gab es weder die einen noch die anderen. Es begann zu dämmern und Baldur wurde langsam unruhig. Sie konnten ja schlecht direkt an einer Bundesstraße auf einem Kuhacker zelten. Sie würden dann wohl am besten zu den Druidensteinen zurückkehren, aber auch das war ein ganzes Stück. Selbst Ellas Mundwinkel wanderten nun langsam der Erde entgegen.
Doch endlich wurde ein weißer Punkt am Ende der Straße sichtbar. Der Jeep kam mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu. Das war wohl ihre letzte Chance an diesem Tag und sicherheitshalber sprang Baldur Ella zur Seite. Beide wedelten mit ihren Daumen, als wollten sie Sahne steif schlagen. Für einen neutralen Beobachter wäre das ein eher irritierender Anblick gewesen und hätte in einem Führer für effizientes per Anhalter fahren sicherlich ein prima abschreckendes Beispiel abgegeben. Doch das Wunder geschah, der Jeep Grand Cherokee hielt an. Die Scheibe ging herunter und ein schwarzer Kopf lächelte sie an.
“Hereinspaziert, meine Damen und Herren, nehmt doch Platz. Wo darf es hingehen?” Der Mann sprach mit starkem amerikanischen Akzent. Erleichtert warfen Baldur und Ella ihre Rucksäcke in den Wagen. Wieder setzte sich Baldur nach vorne, während Ella die Rücksitzbank in Beschlag nahm. Die Fahrt begann. In ohrenbetäubender Lautstärke lief “Love me Tender” von Elvis Presley. Der Fahrer drehte die Musik etwas runter. Er trug eine schwarze Ray Ban Sonnenbrille und war ein zwei Meter Koloss. Sein Kopf berührte beinah das Dach. Vielleicht fuhr er deswegen den Grand Cherokee, in den kleinen Wrangler hätte er wohl gar nicht hineingepasst. Dieser Wagen war ein echtes Schlachtschiff. Mit seinem drei Liter V6 Motor hatte er sicherlich um die 200 PS . Doch der Fahrer war nicht nur ungewöhnlich groß, er war auch ungewöhnlich breit. Er füllt den Fahrersitz komplett aus und war hinter dem Lenkrad praktisch eingeklemmt, wie ein Pfropfen in einem Rohr. Seiner Laune tat das aber keinen Abbruch. Er grinste über das ganze Gesicht. Baldur erklärte ihm, wo sie hinwollten. Die Straße führte direkt zu der Stadt, es gab keine Abzweigungen auf dem Weg, so dass er keine unangenehmen Überraschungen erwartete. Und sie blieben auch aus.
“Great, das liegt ja genau auf meinem Weg. Super, da bring ich euch hin, folks.” Nun drehte er die CD wieder lauter. Es lief Elvis - 30 No 1 hits. Gerade begann “Too Much”.
“I need your lo-ove, all time” sang ihr Fahrer mit tiefer Stimme mit.
“Du liebst Elvis, oder?”
“Ja klar, jeder liebt doch den King?” Er schaute Baldur überrascht an.
“Na ja, wir sind zuletzt öfter mal auf Fans von Dragon Slayer gestoßen.” Baldur nutzte seine bescheidenen Kenntnisse der Pop-Musik für ein wenig Small Talk. Doch der Mann reagierte verärgert.
“Dragon Slayer? Das sind doch alles Wichser.” Er öffnete das Fenster und spuckte hinaus. Baldur war sehr überrascht über die heftige Reaktion, aber schon beruhigte sich der Koloss wieder.
“Die haben echt keine Ahnung von Musik. Elvis konnte einfach alles. Elvis ist ein super Musician.”
“Ja, er war der Größte”, flötete nun Ella von der Rücksitzbank. Schlagartig hellte sich die Mine des Fahrers auf.
“Ihr dürft mich übrigens den König nennen”, bot er ihnen an. Auch Ella und Baldur stellten sich vor.
“Ja, das ist eine super Gegend zum Urlaubmachen. Ich fahr hier super gerne mit meinem Jeep rum. Ich liebe die Natur.” Sein R rollte gewaltig, unterstützt von seiner tiefen Stimme.
“Übrigens, wenn ihr was trinken wollt? Baldur, vor dir ist die Minibar. Gib doch mal drei Dosen raus.” Baldur tat wie ihm geheißen. Er öffnete das, was bei anderen Autos das Handschuhfach war. Hier aber verbarg sich dahinter eine geräumige Minibar, die randvoll war mit Dosen. Alle Dosen sahen gleich aus und trugen die Aufschrift “Karls’ Holunder Rocket”. Er öffnete der Reihe nach drei Dosen und gab dem König und Ella je eine. Sie prosteten sich zu und nahmen einen Schluck.
“Schmeckt super, wie ein guter Hugo.”
“Ja klar, ist es auch. Mein Lieblingsdrink. Ich lass die selbst produzieren und vermarkte die auch. Ist super. Leider ist der Name Hugo geschützt, deswegen musste ich mir was super
Weitere Kostenlose Bücher