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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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schon bereit. Er prüft ein letztes Mal den Sitz des Schalldämpfers und nimmt den Jungen ins Visier. Das Licht ist wirklich mies.
    Wieso setzen sie sich nicht wieder?
    Für einen Kopfschuss wird es nicht reichen, aber wenn Paulsen ehrlich ist, mag er Kopfschüsse eh nicht. Eine Kugel durchs Herz und eine in den Magen, das ist saubere Arbeit, da weiß man, was man hat. Ein Kopfschuss kann hässlich enden. Eine falsche Bewegung und plötzlich fehlt dem Typen der halbe Kopf, aber er atmet noch. Nicht gut. Eine Kugel durchs Herz ist effektiver. Der Oberkörper bewegt sich langsamer als der Kopf.
    Paulsen schwenkt auf den Mann über.
    Er ist einfacher zu sehen. Sein Hemd leuchtet in der Dunkelheit wie diese fahlen Motten, die jeden Lichtschimmer aufsaugen und für eine Weile nachglühen, wenn man sie gefangen hat.
    Mann oder Junge? Junge oder Mann?
    Paulsen genießt den Moment. Er lässt den Gewehrlauf einen halben Zentimeter von links nach rechts und dann von rechts nach links wandern und entscheidet sich schließlich für den Jungen. Sollte der Mann als Erster fallen, wäre der Junge sofort weg. Fällt der Junge als Erster, wird sich der Mann umsehen. So sind Männer nun mal. Sie denken nach. Jungs reagieren und rennen mit vollgeschissenen Hosen davon.
    Goodbye, pretty boy.
    Paulsen übt einen sanften Druck auf den Abzug aus und hört das Plätschern.
    Für Sekunden glaubt er, jemand würde hinter ihm stehen und in die Büsche pinkeln. Die Akustik irritiert ihn. Das Plätschern ist zu unregelmäßig. Er sieht durch das Zielfernrohr aufs Wasser. Ein Boot? Ein verdammtes Ruderboot nähert sich. Paulsen flucht leise. Wie er diese Stadt hasst. Wer paddelt denn bitteschön mitten in der Nacht mit einem Ruderboot über den Wannsee?
    Nur Idioten .
    Es sind Rentner. Paulsen kann es nicht fassen, niemand wird ihm das glauben, ganz besonders nicht Cedric und Lazar. Eine Gruppe von Rentnern sitzt im Boot. Einer von ihnen macht einen auf Venedig, sticht mit dem Ruder ins Wasser und versucht das Boot in Richtung Strand zu lenken. Ein anderer hat sein Handy aufgeklappt und telefoniert. Paulsen möchte ihm das Ding vom Ohr schießen und überlegt es sich anders.
    Verscheuch die Rentner und mach deinen Job, sagt er sich.
    Das Ruder zersplittert mit einem lauten Knall und fliegt dem Rentner aus der Hand. Naja. Paulsen hat sich das ein wenig unauffälliger vorgestellt. Mehr wie ein Knacks und das Ding ist kaputt und die Rentner fluchen und hängen fest. Obwohl kein Schuss zu hören war, schaut der Mann vom Ufer die Böschung hoch. Paulsen ist gute hundert Meter entfernt, er weiß, der Typ kann ihn nicht sehen. Paulsen ist schwarz in schwarz.
    Niemals kann der mich sehen, denkt er und muss grinsen.
    Eine der Rentnerinnen ruft was, die andere wedelt mit den Armen und im nächsten Moment schiebt der Mann den Jungen und das Mädchen vor sich her ins Wasser. Paulsen lacht. Als könnten sie ihm wegschwimmen. Er schaut durch das Zielfernrohr und hat den Rücken des Jungen im Visier, als ihm der Mann ins Blickfeld tritt. Er ist ein Schatten in den Schatten. Reglos steht er da und schaut zu Paulsen hoch.
    Wie kann er wissen, wohin ich ziele?
    Paulsen findet das jetzt doch ein wenig unheimlich und drückt ab. Die Kugel schlägt an der Stelle ins Wasser, wo der Mann eben gestanden hat.
    Scheiße, ist der schnell.
    Der Mann ist vom Strand verschwunden, Sekunden später hört ihn Paulsen die Böschung hochkommen.
    Wie kann er so verdammt schnell sein?
    Paulsen weiß es nicht. Er atmet durch. Keine Panik, sagt er sich und hat noch immer Lazars Worte im Ohr: »Ich brauche nur das Mädchen. Vermassel es nicht.«
    Paulsen weiß, dass ein Ruderboot ohne Ruder nicht weit kommen kann, außer es treibt auf die Niagarafälle zu. Dennoch muss er jetzt Tempo machen, bevor Lazar und Cedric hier auftauchen. Er sieht auf seine Uhr.
    Zehn Minuten müssten reichen .
    Paulsen nimmt die Uhr ab.
    Wenn das Schaf zum Schlachter kommt, dann ist die Zigarettenpause vorbei, denkt er und macht sich bereit, das Schaf in Empfang zu nehmen.

LAZAR
    K alter Schweiß bedeckt deinen ganzen Körper. Du bist der erste Mensch, der außerhalb einer Sauna aussieht, als wäre er in einer Sauna. Nichts an dir ist entspannt, und Cedric wagt auch nicht mehr zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Die ersten beiden Male hast du abgewinkt, beim dritten Mal hast du gesagt, er soll auf die verdammte Straße achten. Deine Stimme war dabei gepresst wie Alufolie.
    Du atmest durch und willst eben das

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