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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Fenster runterlassen, denn du brauchst frische Luft, da legt sich eine kalte Hand über deinen Mund. Es fühlt sich an, als würden dir Nacktschnecken über die Lippen kriechen. Du riechst den Tod, der von den Fingern ausströmt, und sitzt da und erträgst die Berührung. Du schlägst nicht wie ein Irrer um dich, sondern atmest durch die Nase und starrst auf die Straße. Die Hand verschwindet wieder, die toten Mädchen lachen, du wischst dir über den Mund und kurbelst das Fenster runter.
    Luft.
    Ihr seid auf dem Weg zum Wannsee und die Mädchen sitzen hinter dir wie eine dunkle Wolke und lassen dich nicht ruhen. Sie kichern, sie treten gegen deinen Sitz, ihr trockener Atem streicht über deinen Nacken, ihre Finger stechen dich, ziehen an deinem Haar, aber du drehst dich nicht nach ihnen um. Was du auch tust, verlier nicht die Fassung. Cedric wird dich für verrückt halten und das wäre es dann gewesen. Kein Respekt mehr. Ende.
    Bald ist alles vorbei.
    Dieser Gedanke dreht sich wie eine Schleife in deinem Kopf. Bald ist alles vorbei, und bald wirst du Mona gegenüberstehen und sie zwingen, alles rückgängig zu machen. Du wirst –-
    IIIHHHHHHHHHIIIIHHHHHHHHHHHHHHHIIIHHHHHHH !
    Die toten Mädchen fallen hysterisch lachend in den Sitz zurück, ihr Kreischen hallt in deinem Ohr nach, du zitterst, du bebst, du sitzt ruhig, deine Hände umklammern deine Knie, dein Mund ist voller Speichel. Du erbrichst dich jetzt aber nicht, du reißt dich zusammen.
    Atme.
    Atme.
    »Lazar?«
    Du siehst nicht nach links. Ihr steht an einer Ampel, du tust, als ob nichts gewesen wäre. Cedric fummelt in seiner Jacke und reicht dir ein Taschentuch.
    »Dein Ohr«, sagt Cedric.
    Du streichst mit der Hand über dein linkes Ohr, deine Finger sind feucht. Du wischst das Blut mit dem Taschentuch weg. Vielleicht ist dein Trommelfell hinüber, vielleicht ist es eine Gehirnblutung, was auch immer es ist, du reißt ein Stück vom Taschentuch ab, rollst es zu einer Kugel zusammen und stopfst sie in dein Ohr. Die Mädchen machen: Aua, oh, aua! Du spürst ihre Finger an der Papierkugel. Sie zupfen, sie wollen an dein Blut. Du schüttelst den Kopf, du schüttelst sie ab. Die Ampel schaltet um, ihr fahrt weiter.
    Atme.
    Du weißt, du wirst Mona wehtun. Du wirst ihr so sehr wehtun, dass ihre verfluchten Mädchen flehend auf dem Boden liegen werden. Und sollte sie dir dennoch nicht helfen wollen, wird sie die nächsten Jahre an deiner Seite verbringen und alles erleben, was du erlebst. Du wirst sie nicht gehen lassen. Du wirst ihr ins Ohr schreien, du wirst sie quälen und so lange bei dir behalten, bis sie dich von den Toten befreit hat.
    Die Mädchen lachen über deine Gedanken. Sie flüstern, dass du einsam und verlassen am Straßenrand sterben wirst. Sie sagen: Du wirst Mona nie nie nie finden. Du hörst sie klar und deutlich über den Verkehr und dein verstopftes Ohr hinweg, als würden sie in deinem Kopf hausen. Sie sagen: Du wirst uns nie nie nie loswerden.
    Du schaust nach hinten.
    Du siehst sie an.
    Du schickst ihnen einen einzigen klaren Gedanken.
    Ich werde euch lehren, was die Hölle ist.
    Du schaust wieder nach vorn.
    Für Sekunden ist es beruhigend still im Wagen. Dann beginnen die Mädchen wieder zu toben und zu kreischen, und du umklammerst deine Knie, dass deine Fingerknöchel knacken.
    Eine halbe Stunde später steht ihr am Strand und seht euch um. Der Wannsee ist eine reglose Fläche, nichts bewegt sich auf dem Wasser. Vor euch im Sand liegt eine TAC -50. Der Lauf ist auf den See gerichtet als wollte er euch was zeigen. Du schaust, aber da draußen ist nichts.
    »Das Gewehr gehörte Paulsen«, sagt Cedric und hebt es auf. Er nimmt das Magazin heraus. Zwei Kugeln fehlen. Er schiebt das Magazin zurück und schultert die Waffe. Für einen Moment steht ihr einfach nur da und nehmt die Szenerie in euch auf. Die Glut im Lagerfeuer glimmt rot und flammt einmal auf, als eine Brise darüberweht. Mehr geschieht nicht. Da sind Fußspuren, da liegt eine Jacke, eine leere Colaflasche und ein Pizzakarton, aber da ist keine Spur von Paulsen oder dem Mädchen.
    »Und ich tippe, das ist Blut«, sagst du.
    Cedric holt eine Taschenlampe heraus und sieht sich die Spritzer an, verreibt den feuchten Sand zwischen den Fingern und riecht daran.
    »Definitiv Blut«, sagt er.
    Du schaust dich um und ignorierst dabei die Mädchen, die um das Lagerfeuer herumtanzen. Du hörst ihr Singen, du hörst ihre schrillen Stimmen und wünschst dir, auf beiden Ohren taub zu

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