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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Flügeln.
    »Wer sind Sie?«, fragt der Zar.
    »Der neue Gärtner«, antwortet der Mann und lacht. »Und jetzt steck deine Pistole wieder weg, du alter Knacker, und geh schnell rein, sonst macht deine Pumpe schlapp.«
    Humor ist so eine Sache, die der Zar hinter sich gelassen hat, als er zweihundert wurde. Er weiß auch nicht, was einem Humor bringt, wenn man einem Mann gegenübersteht, der nur in Shorts gekleidet ist, eine große Klappe hat und sich auf dem Lieblingsstuhl des Zaren fläzt. Manchmal muss man den Humor hinter sich lassen und den Fakten ins Auge sehen. Und die Fakten sind: Das Leben ist nicht immer witzig.
    »Das ist nicht witzig«, sagt der Zar und richtet die Pistole auf Paulsen und schießt ihm in den Kopf.

TEIL IV
    Ein Engel
    wird schutzlos vor euch treten.
    In seiner Brust wird eine Leere hausen,
    die nur ein Engel füllen kann.
    Er ist der, der aus der Dunkelheit des Todes geboren wird,
    er ist der, der den Lebenshauch in sich trägt.
    Denn so wie der letzte Atemzug alles Lebendige verlöschen lässt,
    entzündet der erste die Flamme
und lässt alles Vergangene erblühen.
    Und siehe, in dieser Zeit wird euer Volk erwachen.

DIE BRUDERSCHAFT
    D ie drei Studenten machten sich im Frühjahr 1837 auf die Reise nach Sankt Petersburg und nur einer kam zurück. Ihre Aufgabe war, herauszufinden, ob eine Wahrheit hinter dem Verdacht der Brüder Grimm steckte, und natürlich wollten sie auch in Erfahrung bringen, an welchem Projekt die vielen Wissenschaftler arbeiteten.
    Vom ersten Tag an waren die Studenten verloren. Sie hatten zwar Kontakt mit Jacob Grimms Studienkollegen, aber sie kamen mit ihren Nachforschungen keinen Schritt voran, was auch ein wenig daran lag, dass sie kein Wort Russisch verstanden. Jeden Tag hielten sie Ausschau nach den verschwundenen Wissenschaftlern und hofften mehr über die missgestalteten Leichen zu erfahren. Und natürlich waren sie neugierig, Yves Romain und Barthom van Leeuwenhoek leibhaftig zu begegnen.
    Nach der ersten Woche trafen sie in einer Gaststätte auf einen Herren, der vollkommen versunken in sein Glas starrte. Die Studenten hätten ihn nicht weiter beachtet, aber da er am einzigen Tisch saß, an dem noch Plätze frei waren, setzten sie sich notgedrungen zu ihm. Eine gute Stunde verging. Der Herr trank Wein, und wann immer sein Glas leer war, kam die Kellnerin und füllte es nach.
    Waldemar schätzte den Mann auf Mitte fünfzig und fühlte sich ein wenig an seinen eigenen Vater erinnert. Waldemar vermisste sein Zuhause sehr, er war ein warmherziger Mensch, der in den nächsten Tagen all diese Wärme verlieren sollte.
    »Was tun wir hier nur?«, rief Max ihnen über den Lärm hinweg zu.
    Auch Max bereute es, aus Göttingen weggegangen zu sein. Er glaubte nicht, dass sich irgendjemand mit Verstand und einem wissenschaftlichen Hintergrund in Sankt Petersburg aufhielt oder eine Gaststätte wie diese frequentierte.
    »Wir trinken, wir rauchen, wir schauen uns Frauen an«, antwortete ihm Georg und hob sein Glas. Er hatte als Einziger richtigen Spaß und war begeistert vom Publikum. Georg fühlte regelrecht, wie seine bäuerliche Seele erwachte. Als ein Betrunkener gegen den Herren an ihrem Tisch stieß und Bier über dessen Ärmel verkippte, reagierte Georg wie ein Gentleman – er stieß den Betrunkenen zur Seite und reichte dem Herren ein Taschentuch. Der Mann bedankte sich auf Französisch, und die Freude der Studenten war groß, denn endlich verstanden sie jemanden. Aber der Herr war nicht wirklich an einer Unterhaltung interessiert. Er legte Geld auf den Tisch und machte sich auf den Weg zum Ausgang, als hätte ihn Georg durch seine Höflichkeit beleidigt. Bevor er aber die Gaststätte verließ, zögerte der Mann. Sein Rücken versteifte sich, sodass die Studenten schon dachten, er hätte seinen Stock oder seine Brieftasche vergessen.
    Der Herr drehte sich um und sah sie an. Er musste nichts sagen.
    Die Studenten zahlten und folgten ihm.
    Der Herr hieß Nicolai Pellair und war ein angesehener Chirurg, der den Marseiller Hof vor fünf Jahren verlassen hatte und nach Sankt Petersburg gezogen war, um der Familie zu dienen. Die Euphorie hielt nur einen Monat an. Jetzt schien ihm jeder Morgen und Mittag grau und Pellair versuchte zumindest die Abende mit dem Genuss von Wein aufzuhellen. Wie viele andere Forscher, war er dem Ruf von Yves Romain gefolgt. Seitdem hatte Pellair nur Elend gesehen, und seine Hoffnung befand sich an diesem speziellen Abend, an dem er den

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