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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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deine Gäste, setzt sie in das Beiboot und schickst sie fort. Erst danach schaltest du dein Handy ein und wartest. Elf Sekunden später klingelt es.
    »Ich weiß, es ist unmöglich«, sagt Leopold, »und ich verstehe es auch nicht.«
    Die Nachricht kam von der Quelle in Barcelona. Sie sind dort über eine Telefonleitung gestolpert, die seit über neunzig Jahren inaktiv war. Der erste und einzige Anruf wurde gestern Nacht getätigt. Es ist dir ein Rätsel, was für Menschen das sind, denen so was auffällt.
    Den Rest des Morgens verbringst du vor dem Notebook und hörst dir immer wieder die Aufnahme an – ein Gespräch mit einer Länge von einer Minute und neunzehn Sekunden. Eine Frau spricht mit einem Mann. Sie reden Englisch, es ist aber nicht ihre Muttersprache. Du hörst den Akzent in ihren Stimmen, kannst ihn aber nicht zuordnen. Die Nachricht erschöpft und erregt dich gleichzeitig. Du könntest dich hinlegen und auf der Stelle einschlafen; du könntest aber auch erneut ins Meer springen und problemlos bis zur Küste schwimmen.
    Es gibt noch ein Haus.
    Und es steht in Irland.



Der Name Hakonson bringt bei dir was zum Klingeln. Du spielst das Gespräch noch einmal ab und liest das Protokoll mit, als würden die geschriebenen Worte noch mehr Informationen verbergen.
    Nach über hundertfünfzig Jahren ist sie das erste Mädchen.
    Du wählst Leopolds Nummer, du willst seine Meinung hören.
    Was genau ist passiert?
    Sie berührt Erinnerung.
    Während du auf das Klingelzeichen wartest, siehst du auf das Meer und kannst die Tiefe an den dunklen Stellen nur erahnen. Du fragst dich, wie es wohl wäre, für immer hier an der Küste zu leben. Du fragst dich auch, ob die Jagd jemals ein Ende nehmen wird, und erschrickst, als ein Hund bellt. Der Hund ist eine von diesen winzigen Tölen, denen beim Bellen beinahe die Lunge rausfliegt. Er hat sich auf dem Bürgersteig aufgebaut wie der König der Straße, und dir fehlt die Kraft, nach ihm zu treten. Die Yacht ist verschwunden, du hast kein Telefon mehr am Ohr und Griechenland ist gute 2000 Kilometer entfernt. Ein Mann sagt:
    »Lass das, Bobbi.«
    Der Hund hört auf zu bellen. Der Mann geht vorbei. Du verlässt den Bürgersteig, trittst auf die Straße und suchst euren Wagen. Du hast vergessen, dass du Cedric und Paulsen anrufen wolltest, als dir Tulli Marsden auch schon das Fernglas reicht.
    Alles gleitet davon.
    Es ist kühl und nieselig.
    Es ist vor drei Tagen.
    Das soll dir mal einer nachmachen, von Berlin nach Irland innerhalb von einer halben Sekunde. Dir ist schwindelig. Du hältst dich am Fernglas fest und siehst, dass das Haus in blauer Dunkelheit gebadet ist. Die irische Küste befindet sich im Tiefschlaf. Die Bedingungen sind nicht ideal. Cedric hat auf die Schnelle ein neues Team zusammengestellt. Du bist froh, dass du zumindest einen Mann aus deinem alten Team erreichen konntest. Der Großteil deiner früheren Söldner ist nicht mehr. Der Zeitdruck war groß. Ihr durftet nicht erneut zu spät kommen. Noch ein Fiasko wie vor vierzehn Jahren würdest du nicht verkraften. Also habt ihr euch beeilt und deswegen hast du nicht so viele Fakten gesammelt wie sonst.
    Ein Haus mit Mädchen.
    Was genau ist passiert?
    Sie berührt Erinnerung.
    Heute verstehst du es, denn heute bist du ein Opfer dieser Berührung, das Wissen hat dir aber vor drei Tagen gefehlt.
    Und keine Jungen.
    Vier Jahrzehnte lang nur Jungen und dann das hier?
    Acht Mädchen und neun Frauen, von denen ihr nur eine identifizieren konntet.
    Natalia Hakonson.
    Woher kenne ich den Nachnamen?, fragst du dich erneut und hörst Tulli sagen:
    »Nur Mädchen und Frauen?«
    »Ist das ein Problem?«, fragst du zurück.
    »Es klingt zu einfach.«
    »Nichts daran ist einfach«, sagst du und reichst ihm das Fernglas zurück.
    Deine Männer verschwinden in der Dunkelheit. Du wartest einen Moment, dann läufst du die Küstenstraße hoch, die Armbrust in der einen, das Funkgerät in der anderen Hand.
    Den Rest kennen wir.
    Wie deine Söldner das Haus gestürmt haben.
    Wie eines der Mädchen mit seiner Gouvernante floh und wie Tuli Marsden ihnen folgte.
    Wie die anderen Mädchen durch eure Hände starben.
    Auch das.
    Danach haben deine Söldner das Haus auseinandergenommen. Computer, Logbuch, sie nahmen alles mit. Im Büro der Hausherrin stieß einer deiner Männer auf die Adresse. Es war lächerlich, es war so unvorsichtig, dass du dir im ersten Moment unsicher warst, ob das nicht eine Falle sein könnte. Die Adresse war

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