Der letzte Exfreund meines Lebens
Silberlöffel in seinem Mund verspottet worden war.
Seine Situation hatte sich erst gebessert, als er sich mit Lorcan angefreundet hatte, der an ihrer Schule ausnehmend beliebt gewesen war. Durch ihn hatte er Zugang zu einem großen Freundeskreis gefunden und sogar eine Ersatzfamilie gehabt. Wobei sein Leben zuhause immer unerträglicher geworden war. Seine Mutter war tiefer und tiefer in ihrer Depression
versunken, und er hatte hilflos mit ansehen müssen, wie sie immer verzweifelter geworden war.
Dann hatte er sie eines Sonntagsmorgens, knapp ein Jahr nach ihrem Umzug, tot in ihrem Bett gefunden: Helen hatte sich mit Schlaftabletten umgebracht.
Sein Vater war (wenigstens ohne seine neue Frau) auf die Beerdigung gegangen, doch Will hatte ihm, außer sich vor Trauer, die kalte Schulter gezeigt, weil er seiner Meinung nach die Schuld am Tod seiner Mutter trug. Danach hatte Philip darauf bestanden, dass er mit nach England käme, um die Schule zu beenden. Will hatte ihm widerstrebend zugestimmt, denn er hatte sich davor gefürchtet, den Ort zu verlassen, an dem er zum ersten Mal in seinem Leben glücklich und daheim gewesen war, sich aber gleichzeitig gefreut, dass sein Vater ihn bei sich in England haben wollte, er also nicht auch von ihm im Stich gelassen worden war. Tatsächlich hatte sich ein Teil von ihm danach gesehnt, mit seinem klugen, amüsanten Vater zusammen zu sein. Und vor allem hatte er sich darauf gefreut, der Stachel im Fleisch der Frau zu werden, von der das Leben seiner Mutter zerstört worden war.
Kaum jedoch war er in England angekommen, hatte ihn sein Vater in ein Internat gesteckt. Seine neue Frau hatte gerade ein Baby auf die Welt gebracht, und das Letzte, was sie wollte, war ein schlecht gelaunter, feindseliger Teenager in ihrem Haus. Außerdem war Philip ein Verfechter von privaten Schulen; er hatte nämlich selbst ein Internat besucht und für seinen Sohn eine der besten Schulen Englands ausgesucht. Den Umzug nach Irland hatte er niemals gebilligt, auch Helens schwachsinnigen Wunsch, Will bei sich zuhause zu behalten, hatte er schon immer als idiotisch abgetan, und nun, da er für die Erziehung seines Sohnes zuständig war, hatte er dafür sorgen wollen, dass er eine möglichst ordentliche Ausbildung bekam.
Also war Will ins Internat verfrachtet worden, und sein Vater hatte sich wieder ganz seiner neuen Familie zugewandt. Das hatte für Will das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Wenn er schon allein war, hatte er beschlossen, dann wenigstens an einem Ort, an dem er glücklich war. Deshalb war er an einem stürmischen Novembertag durch das Ausgangstor des Internats marschiert und immer weiter gelaufen, bis er zwei Tage später bei den O’Neills gelandet war. Es war Teil der O’Neill-Familienlegende, dass sie eines Abends die Tür geöffnet und Will dort draußen vorgefunden hatten, bis auf die Haut durchnässt und zitternd wie ein junger Hund. Er hatte nicht genügend Geld für eine Fahrkarte gehabt und deswegen den ganzen Weg von Dun Laoghaire zu Fuß zurückgelegt.
Als er aufgebrochen war, hatte er nur daran gedacht, der Schule zu entkommen und Lorcan wiederzusehen. Zu seinem Entsetzen war ihm plötzlich klar geworden war, dass er einfach den O’Neills seine Probleme aufgeladen hatte, denn das Letzte, was er wollte, war, eine Last für seinen Freund und dessen Familie zu sein. Doch zu seiner riesigen Erleichterung hatten die O’Neills das auch nicht so gesehen. Während er tropfnass in ihrer Küche gestanden hatte, hatte sich die gesamte Familie um ihn geschart und ein Riesenaufheben um ihn gemacht.
Grace hatte ihm die Haare mit einem Handtuch trocken gerubbelt und gefragt: »Warum hast du nicht angerufen? Wir hätten dich abgeholt.«
»Ich hatte kein Geld mehr fürs Telefon«, hatte er erwidert und verschämt den Kopf gesenkt.
Er war geistig und körperlich total erschöpft gewesen, aber als die Familienmaschinerie um ihn herum in Gang gekommen war, hatte sich die Unsicherheit der letzten beiden Tage allmählich gelegt, und er hatte sich etwas entspannt. Nie zuvor
in seinem Leben hatte er sich so sicher und umsorgt gefühlt. Helen und auch Philip waren derart launisch, chaotisch und ich-fixiert gewesen, dass er meistens ganz auf sich gestellt gewesen war, und nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, hatte er sich obendrein auch noch um seine Mutter kümmern müssen, so als wäre sie das Kind. Aus diesem Grund hatte es ihn ungemein erleichtert, dass jetzt endlich
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