Der letzte Exfreund meines Lebens
länger bei ihr aus. Ich musste gehen, um nicht wahnsinnig zu werden. Deshalb habe ich gepackt und meinen heranwachsenden Sohn mit alledem allein gelassen. Er war damals noch ein Kind.«
Die Kamera verharrte gnadenlos auf seinem Gesicht und fing seine Emotionen auf. Angesichts der Trauer und der Reue, die sein Blick verriet, schaute er plötzlich deutlich älter aus.
»Dann haben Sie also das Gefühl, es wäre falsch gewesen, dass Sie damals ausgezogen sind?«, drang Richards gedämpfte Stimme aus dem Hintergrund.
»Absolut«, gab Philip nüchtern zu.
»Und wie haben Sie sich damals dabei gefühlt?«
»Nun, natürlich hatte ich Schuldgefühle – doch die haben nicht gereicht, um mich daran zu hindern, einfach zu machen, was ich wollte.« Und mit einem selbstironischen Lächeln fügte er hinzu: »Ich dachte, ich hätte ein Recht darauf, glücklich zu sein.«
»Und das hatten Sie nicht?«
»Nicht auf Kosten meines Sohns«, erklärte Philip knapp. »Aber in meiner Generation hat man sich über die Vorstellung lustig gemacht, dass man um der Kinder willen zusammenbleibt, für eine Ehe arbeitet oder überhaupt jemals irgendein Opfer bringt. Unserer Meinung nach war das persönliche Glück das Einzige, worum es ging.«
»Und das glauben Sie jetzt nicht mehr?«
»Nun, es ist totaler Unsinn, finden Sie nicht auch? Es ist das, was man sich sagt, wenn man sich nicht die Wahrheit eingestehen will – nämlich dass man zu faul oder zu egoistisch ist, um irgendwas zu tun, was auch nur ansatzweise schwierig oder unerfreulich ist. Man will uns glauben machen, dass das Leben ständig toll sein muss. Und wenn es das zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr ist, muss man eben weiterziehen. Doch das ist eine kindliche Sicht der Welt.«
»Zurück zu Ihrem erstgeborenen Sohn. Was für eine Beziehung haben Sie jetzt zu ihm?«, forschte Richard sanft nach.
»Keine«, erwiderte Philip lakonisch. »Er spricht nicht
mehr mit mir – und will auch nichts mit mir zu tun haben. Was ich ihm nicht verdenken kann.«
»Was hat diesen Bruch in Ihrer Beziehung verursacht?«
»Er gab mir die Schuld, als Helen starb. Und statt ihm zu helfen, ihren Tod zu überwinden, habe ich ihn kurzerhand ins Internat geschickt. Um eine grässliche amerikanische Phrase zu verwenden …« Er setzte ein bitterböses Lächeln auf. »Ich war nicht für ihn da, als seine Mutter starb.«
Es folgte eine lange Pause, aber schließlich fuhr er fort: »Ich habe ihn nicht nur aus Eigennutz ins Internat gesteckt. Ich dachte, es täte ihm gut, würde ihn ein bisschen härter machen, denn ich hatte Angst, dass er wie seine Mutter würde – zu empfindsam für die Welt. Doch ich hatte ihn eindeutig unterschätzt. Er war durchaus in der Lage, für sich einzutreten und sich gegen mich zu wehren – offensichtlich schlägt er weniger nach Helen als nach mir.«
»Haben Sie jemals versucht, sich mit ihm zu versöhnen?«
»Ja, natürlich – das versuche ich die ganze Zeit. Aber wie ich bereits sagte, mein Sohn ist genauso stur, unversöhnlich und vor allem davon überzeugt, im Recht zu sein, wie ich, womit er in diesem Fall natürlich völlig richtigliegt.«
»Dann hat er also recht, wenn er Ihnen nicht verzeiht?«
»Ja«, gab Philip zu, und nur sein angespannter Kiefer verriet dabei irgendein Gefühl.
»Warum?«
»Weil das, was ich getan habe, ganz einfach unverzeihlich war«, sagte Philip mit niederschmetternder Offenheit, wobei er seinem Gegenüber reglos in die Augen sah.
Er verstummte, und die Kamera verharrte endlos auf seinem Gesicht. Er blinzelte ein paarmal und fing an, an seiner Unterlippe zu kauen, denn die Stille dehnte sich schmerzlich aus. Kate ertrug es kaum zu sehen, wie ungeschützt und wehrlos er den Blicken ausgeliefert war.
»Glauben Sie das wirklich?«
»Ja. Ich denke, er hat recht, wenn er mir nicht verzeiht. Dafür zolle ich ihm ehrlichen Respekt.«
»Sie zollen ihm Respekt dafür, dass er derart nachtragend und unversöhnlich ist?«
»Ich zolle ihm Respekt dafür, dass er weiß, was richtig ist, und nichts anderes akzeptiert – dafür, dass er den Mut hat, zu seinen Überzeugungen zu stehen.«
»Selbst wenn das bedeutet, dass er Sie aus seinem Leben verbannt hat?«, hakte Richard nach.
»Vor allem dann. Weil das schließlich alles andere als einfach ist. Es wäre deutlich einfacher, sich zu kompromittieren, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre, und zu sagen: ›Du bist mein Vater, und ich liebe dich, deshalb ist alles, was du
Weitere Kostenlose Bücher