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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Ba-a-als-löööv!« Die Arme ausgestreckt, bog er ins Dorf ab wie ein betrunkener Engel. Anton lief ihm johlend hinterher. »Habe ich’s dir nicht gesagt? Das war doch gar nicht so schwer, oder? O nein, halt dich rechts, Svensson! Halt dich …« Der Engel mit den Holzschuhen fuhr soeben in den Straßengraben.
    SVENSSON . Nach dem Mittagessen am selben Tag packte Jannis Kleider und Avramidis in den Koffer, rasierte sich und drückte Lilys Hand so lange und ausgiebig, dass sie »O Jannis« herausplatzte und ihn umarmte. Als sie seine Schultern losließ – der Gast würde seinen Abschied mit dem Duft von Deodorant und Babypuder verbinden – bat er darum, das jüngste Kind halten zu dürfen. Er hob es aus dem Wagen und spielte mit den Zehen, als wären es Rosinen. »Vielleicht ich nehme Ziegenkind mit?« Agneta zog mit wehmütigem Blick das Rollo herunter. In der Tür verwüstete der ehemalige Kellergast Theos Mittelscheitel. Niemand wusste, wo sich sein älterer Bruder aufhielt. Die Familie begleitete Jannis hinaus, wo Manolis das Gepäck im Kofferraum verstaute. Als er den Deckel zuschlug, schaukelte der Wagen kurz. Der Doktor klimperte mit Münzen in der Tasche. »Theo hat da was für dich, wir hoffen, dass es dir von Nutzen sein wird.« Ernst wie eine Kirchenkerze stand sein Sohn, die Hände hinter dem Rücken verborgen. Dann überreichte er einen Umschlag, den Jannis ungeöffnet in die Hemdtasche steckte. Daraufhin schlug sich der Grieche verschwörerisch vor die Brust und schaute sich um. Alle fragten sich, wo Anton steckte. Erst als Manolis den Zündschlüssel drehte, kam der Junge um die Hausecke gerannt. Er lief zu der heruntergekurbelten Scheibe und legte etwas auf die Stiefel im Schoß des Reisenden. »Das hier … ist … von mir.« Das Sprechen schien ihm Mühe zu breiten. »Tschüss, Svensson.«
    ALLES, WAS EIN MANN BRAUCHT . Durch Doktor Florinos’ Vermittlung hatte Jannis eine Stelle in der Önos-Saftfabrik bekommen. In seiner Hemdtasche lag neben einer Arbeitserlaubnis auch der Name des Personalchefs in Tollarp, dessen Gallensteine – groß wie Reiskörner – ein halbes Jahr zuvor entfernt worden waren. Die Adresse, unter der er ein möbliertes Zimmer mietete, lautete: bei Greta Granqvist, Blomstervägen 10. In dem schmutziggelben Backsteinhaus unweit des Freilufteishockeyplatzes verfügte Jannis über ein Zimmer im Dachgeschoss. Seine Vermieterin war aktives Mitglied der Kirchengemeinde und eine gute Freundin von Agnetas Mutter, die den Kontakt vermittelt hatte. Außerdem war sie Witwe und mochte Kreuzworträtsel. Letzteres führte dazu, dass sie mit ihrem Untermieter viel zu bereden hatte, der von allem, was das Alphabet enthielt, nie genug bekommen konnte. Wenn sie nicht »weißes Porzellanmöbel für hygienische Zwecke, senkrecht, acht Buchstaben, beginnt mit T « diskutierten, oder sich über den Namen von »Stiernhielms einheimischer Ausländer, der erste Held in unserer Literatur, waagerecht, acht Buchstaben, Her am Anfang« stritten, unterhielten sie sich über Thunells Mädchen. Die Vermieterin trug ihre Haare in einem Netz und stellte ihm jeden Sonntagmorgen ein Tablett mit Kaffee, belegten Broten und einer Kirschpraline vor die Tür. »Sie findet, dass ich Vitamine brauche«, lachte Jannis, als er seinen Arbeitskollegen von der Schokolade erzählte.
    Nachdem sie das Frühstück gemacht hatte, das es ihr ermöglichte, einen Essenszuschlag zu verlangen, bereitete sich Frau Granqvist auf die Kirche vor: weiße Schuhe, lange Handschuhe, die bessere der beiden Zahnprothesen. Wenn sie die Haustür zuzog, war ihr Haar in einer Plastikhaube verpackt. Bei dem Gedanken daran, was sie für Agnetas Griechen tat, war sie stets besonders kirchlich gestimmt. Was spielte es da schon für eine Rolle, wenn er nicht wusste, dass Stiernhielms Werk Der schwedische Herkules hieß. Eine halbe Stunde später sang sie mit voller Stimme im Gemeindeheim – einer der Gründe dafür, dass Bertil Granqvist († an den Folgen falscher Insulinbehandlung) sich in sie verliebt hatte –, während der Mieter tat, was er an den Sonntagen immer tat: Er kratzte die Marmelade von den Broten, warf die Praline weg und widmete sich seinen Gymnastikübungen. Diese bestanden aus explosiven Sit-ups mit den Händen an den Ohren, gefolgt von schnellen Liegestützen auf einer beziehungsweise auf zwei Händen, und wurden, begleitet vom Quäken des Radios auf dem Nachttisch mit seinen fetten Beinen aus gedrechselter Eiche, mit

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