Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
Vom Netzwerk:
diversen Dehnübungen abgeschlossen. Auf dem Tisch stand ansonsten Antons Geschenk: ein »Außenländer« aus einem gefundenen Korken, einer Stecknadel und ein paar Streichhölzern, der auf Schlittschuhen aus Schwefel balancierte. Wenn Jannis die Figur betrachtete, dachte er jedesmal, dass auch Gillis Grafström auf etwas gestützt begonnen haben musste.
    Der Sonntag war aber auch aus anderen Gründen etwas Besonderes, denn an diesem Vormittag hatte er die Erlaubnis, sein wöchentliches Bad zu nehmen. Nach den Gymnastikübungen ging er mit einem Badehandtuch um die Hüften die Treppe hinunter und verschwand hinter der Tür mit der Milchglasscheibe. Auf seinem Handtuch stand diagonal in Druckbuchstaben: JANSSONS HERRENKONFEKTIONSGESCHÄFT. Man konnte sehen, wie sich die Hälfte der Aufschrift drehte und über dem Po unleserlich wurde. Auf der Rück- oder momentanen Innenseite wurde verkündet: ALLES, WAS EIN MANN BRAUCHT. Letzteres war zu Bertil Granqvists Lebzeiten ein Dauerwitz gewesen. An den Wochenenden war er aus dem Badezimmer gekommen, wie der Herr ihn erschaffen hatte, das Handtuch, das Jannis trug, um die Schultern gelegt und ein Verkäufergrinsen im Gesicht. »Ist das nicht alles, was ein Mann braucht?« Bei dem Anblick rutschte Greta ins Bett hinab, bis die obere Zahnreihe gegen den Rand der Decke drückte. »Mmm«, antwortete sie, woraufhin sie die Prothese herausnahm und das Nachthemd abstreifte. Nach dreiundzwanzig größtenteils glücklichen und vollkommen kinderlosen Ehejahren wurde sie Kirchgängerin. Endlich fand die Prothese auch an Sonntagen Verwendung.
    Als Jannis das Wasser betrachtete, das durch sein Brusthaar schwappte, ahnte er nicht, was sich hinter der Tür zum Schlafzimmer, an der Frau Granqvists Morgenmantel hing, regelmäßig abgespielt hatte. Aber es wäre falsch zu verschweigen, dass er über das Badetuch nachgrübelte, dessen Text er von dort, wo er mit dem Nacken auf dem Emaillerand lag, lesen konnte. Unter der Oberfläche wiegte sich unbekümmert seine maskuline Endung. Bei einer Kontrolle erwies sich der Haarwuchs ringsum als weich und dicht. Es passierte nichts, als Jannis sich wusch, weil er in Gedanken bei dem großen Metallbottich mit der Aufschrift ORANGE war, in dem Glycerin, Stärke und Pomeranzen zu einer zähflüssigen Masse eingekocht wurden. Aber als er seine Aufmerksamkeit den Mitarbeiterinnen zuwandte, die sich in schlecht sitzenden Kitteln über das Gefäß beugten, mit riesigen Kellen rührten und unfreiwillig die Stoffe um die Hüften spannen ließen, kam seiner Endung unleugbar eine gewachsene Bedeutung zu.
    Während er sich wusch, bestätigte er folglich die berühmteste Annahme der Hydraulik. »Wird ein Körper in Flüssigkeit gesenkt, so wird er von einer Auftriebskraft beeinflusst, die der Gewichtskraft des verdrängten Wassers entspricht«, heißt es ja in der Schrift Über schwimmende Körper , die Avramidis im Vorwort zu seinem Meilenstein der Wasserlehre zitiert. Wir könnten auch sagen: Je fester er die Gedanken in den Griff zu bekommen suchte, die er mit dem Anblick von Branka Pasics und Doris Jönssons Hüften verband, ebenso ahnungslos wie ausgeklügelt über die beißende Marmelade gebeugt, desto deutlicher wurde die Auftriebskraft beeinflusst. Die Situation ließ sich auch dadurch nicht unbedingt leichter in den Griff bekommen, dass sich eine der Kolleginnen in seinen Gedanken in eine blonde Schauspielerin mit schwingenden Hüften und nackten Füßen verwandelte. Das Badewasser schwappte gegen die Schlüsselbeine – zunächst still, dann merklicher, fast aufgewühlt. Die Seifenmembran, die in dem bleistiftgrauen Herbstlicht so hübsch changiert hatte, wurde von der Faust durchstoßen, mit welcher der Badende ein unbändiges Pronomen herabzudrücken versuchte, und die Efi einmal seine aktive Hand genannt hatte. »Da, da, da …«, stöhnte er, während er immer tiefer in die Wanne sank. Es klang, als wollte er einen Hund anweisen, Sitz zu machen.
    »Halle-luuu- ja !«,platzte Greta Granqvistzur gleichen Zeit mit einem befriedigenden Vibrato in der Stimme heraus, während sich die übrigen Gemeindemitglieder in die Bankreihen setzten und in ihrem Badezimmer im Blomstervägen geschah, was geschehen musste.
    ZEHN LITER MARMELADE . Im November kam dann endlich das kleine Tier. Es erwies sich als eine Biene größeren und trägeren Modells, die Jannis’ Rückgrat mit etwas hochsummte, was sich wie ein Propeller anfühlte. Eigentlich hätte sie gemeinsam

Weitere Kostenlose Bücher