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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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übernachten. ›Jetzt muss Schluss sein mit dem Trübsal blasen, du weinst ja, dass das Wasser im Fluss Helge steigt.‹ Wenn ich bei ihr übernachtete, konnten wir zum Park fahren, ohne dass Mutter etwas davon erfuhr. Am Mittwoch kam dann Jannis ins Geschäft. O nein, dachte Berit, wie sie mir später erzählte, als sie ihn sah, nicht der schon wieder. Er war ihr vorher schon aufgefallen. Er kam immer allein, und sie hatte bemerkt, wie er sie anstarrte. Diesmal hielt er einen Eimer Marmelade in der Hand. Die hatte er bestimmt in der Fabrik geklaut. Sie war ganz schön baff, als sich herausstellte, dass wir uns kannten. Dass er der Supergrieche aus Balslöv war.
    Jannis verlor so die Fassung, dass wir lachen mussten, auch wenn das nicht besonders nett von uns war. Aber dann biss ich mir auf die Zunge. Da stand er nun, mit seinen Augen und Schultern und dem Zehnliterbehälter, und ich sah, wie verlegen er war. Ehe ich mich versah, fragte er, ob ich mit ihm zu Abend essen wolle. ›Marmelade?‹, erkundigte ich mich. Das machte ihn wohl ein bisschen traurig, denn jetzt wollte er bezahlen. Berit merkte es und versuchte nett zu sein und fragte, wie er heiße. Sie sei bestimmt die einzige, die nicht alle kenne. Das sei übrigens ihr Name, meinte sie und zeigte auf ihr Namensschild. ›Jannis Svensson‹, sagte Jannis und legte die Hand auf seine Brusttasche, als wollte er einen Eid ablegen. Er lachte so, dass wir alle lachten, aber diesmal gutmütiger. Er sei Grieche, fuhr er fort. Auf Schwedisch werde aus seinem Namen ›Janne‹. Aha, wird Berit wohl gedacht haben, bloß nicht noch so ein Gastarbeiter, der sich aufspielt. Aber der hier, der keineswegs scherzte, streckte die Hand aus. Damit hatte sie nicht gerechnet. Er war sehr höflich und verbeugte sich. In ihren Augen verhielt er sich seltsam für einen Ausländer. Jannis sagte, er werde nach Hause zu Frau Granqvist gehen und ihr die Marmelade schenken. Er sprach besser Schwedisch als in meiner Erinnerung. Und dann hatte er diese Stimme, von der man weiche Knie bekam. Wie Hufschläge und Rauch, dachte ich. Wenn alle Männer solche Stimmen hätten, gäbe es noch Hoffnung für die Menschheit. Ehe er ging, sagte er noch, er freue sich darauf, zu ›soupieren‹. Berit starrte ihn nur an, weshalb ich schnell nickte, um ihn loszuwerden.
    Als Jannis gegangen war, meinte Berit, ich solle mich hüten, mit dem Gastarbeiter einen saufen zu gehen, oder was er da gesagt habe. Sie drohte mir mit dem Finger wie einem Kind. Wahrscheinlich merkte sie, dass ich mir die Sache ernsthaft überlegte. Aber als ich von Balslöv erzählte, fand sie, es gebe nichts zu diskutieren. Der Volkspark laufe uns ja nicht davon, wenn ich etwas Besseres vorhätte. Sie wackelte mit den Hüften. ›Nie im Leben‹, sagte ich. ›Das tue ich niemals.‹ Obwohl ich einen Lachanfall bekam, als sie weiter die Hüften schwang wie eine liebestolle Ente. Und an dem Wochenende tat ich es. Ging ich mit ihm aus, meine ich. Jannis holte mich bei Berit ab. ›Entschuldigung, Fräulein‹, sagte er, als er klingelte – ohne Blumen, aber trotzdem. Sie muss gedacht haben: Ich hör wohl nicht richtig. ›Als wir uns letztlich sahen, ich hatte nicht die Gelegenheit, so gut Hallo zu sagen. Ioannis Georgiadis, Fräulein. Sehr erfreut, Fräulein.‹ Fast wie der Herr Doktor. Berit kicherte. Sie hätte bestimmt nichts dagegen gehabt, selbst mit ihm zu soupieren. Jannis war schick angezogen. Schwarzer Anzug, gewichste Schuhe, die Haare glänzten wie ein Helm. Er sah aus, als müsste er zu einer Beerdigung. Er winkelte den Arm an. Was sollte ich denn tun, also habe ich mich bei ihm eingehakt. Ich glaube, er hat mich in Mattssons Speisesaal eingeladen. Ein anderes Restaurant gab es zu der Zeit ja nicht. Ja, so war es. Ihn sollte ich also heiraten …
    Nach dem Essen machte er einen Diener und gab mir die Hand– versuchte gar nicht erst, mich zu küssen oder so. Das war ich nicht gewöhnt. Ohne darüber nachzudenken, waren wir statt zu Berit zu mir nach Hause gegangen. Es war halb zwölf, als ich endlich aufschloss. Mutter stand im Flur. Vater schlief schon, aber dem wäre es ohnehin egal gewesen. ›Was hast du gemacht, Agneta? Wer war das?‹ Ich sagte: ›Mutter, wenn ich dir erzähle, dass ich mit einem Gastarbeiter ausgegangen bin …‹ Sie wäre fast aus den Latschen gekippt. ›Mit einem Gastarbeiter? Ich hör ja wohl nicht richtig!‹ Ich antwortete nur: ›Beruhige dich, Mutter. Mit deinen Ohren ist alles in

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