Der letzte Grieche
Demütigendes, also klopfte er stattdessen an. Eigentlich hatte er seine Neuigkeiten verpackt und mit Schleife präsentieren wollen, aber die abgeschlossene Tür ärgerte ihn, und als er einsah, dass niemand zu Hause war, beschloss er, etwas zu tun, was er lieber gelassen hätte.
Was im Einzelnen geschah, als er den Ersatzschlüssel heraussuchte und aufschloss, wissen wir nicht. Aber als Jannis am Abend in den Blomstervägen zurückkehrte, steckte er nur kurz den Kopf ins Wohnzimmer, wo Agneta gebannt vor dem Fernseher saß, grüßte und verschwand dann die Treppe hinauf. »Je furchtbarer du dich innerlich fühlst«, erklärte soeben eine der tweedgekleideten Hauptpersonen, während sie ihren Krocketschläger fortlegte und zu einer Freundin ging, die ein Spitzentaschentuch an die Lippen presste, »desto besser musst du aussehen«. Oben im Zimmer wälzte er sich auf dem Bett. Er dachte nach. Das klappte nicht. Er versuchte, an gar nichts zu denken. Das klappte auch nicht. Nach einer Weile ging er wieder hinunter und setzte sich in den Sessel, den Greta Granqvist kurz zuvor verlassen hatte. Er war noch warm. Doch es war genauso schwer wie vorher, Kontakt zu Agneta zu bekommen, weshalb Jannis, als er entdeckte, dass er zehn Minuten auf den Fernsehschirm gestarrt hatte, ohne der Handlung folgen zu können, erklärte, er werde noch ein wenig hinausgehen. Auch das hörte seine Verlobte nicht.
Während des Spaziergangs dachte er über Freundschaft, Magnete und drei Monate alte Embryonen nach sowie darüber, ob sie mehr aus Wasser als aus Gewebe bestanden. Er dachte an die Tage, die er Ellbogen an Ellbogen in einer Schulbank verbracht hatte. Er erinnerte sich an die Hilfe, die er bekommen hatte, als er den Stall baute. Er entsann sich der Fahrt durch Europa, und ihm wurde klar, dass er weder der erste noch der letzte war, der Eden verlassen hatte. Er lächelte traurig über Kezdoglous Beschreibung eines evréos , der in einem schwedischen Altersheim über sephardischen Käse gesprochen hatte. Er zog die Nase hoch. Und erkannte bei dem Gedanken an Efi, dass er sich schämte. Schließlich stand er vor der Saftfabrik. Resolut öffnete er die Tür zur Telefonzelle, die sofort wieder zuschlug. Um seine Beine strich ein kühler Frühlingswind, der ihm das Gefühl gab, einen Rock zu tragen. Er würde um Verzeihung bitten. Efi hatte ihm einen Schlüssel gegeben, und eigentlich hatte er nur warten wollen, bis die beiden zurückkamen. Dann hatte er jedoch in einem Hermods-Heft geblättert. Eine geraume Zeit war vergangen, und am Ende hatte er befürchtet, seinen Zug zu verpassen. Und eine Dummheit begangen. Wenn es Kostas nicht zu viel Mühe bereitete, könnte er doch bitte das Passfoto zurückschicken, das unter dem Ersatzschlüssel in der Küche lag? Es wäre sicher besser, wenn Jannis es Efi persönlich mitteilen würde.
Doch der Freund hatte das Bild bereits ausgiebig bewundert, das auf der Rückseite wie folgt beschriftet war: »Das ist die Mutter des nächsten Georgiadis.« (Die Aufnahme befindet sich noch in unserem Besitz, falls jemand es nachprüfen möchte.) »Phantastisch!«, rief er deshalb aus. Er klang großmütig, er klang fröhlich, war aber wohl vor allem erleichtert, dass sie wieder miteinander sprachen. Dann wandte er sich vom Hörer ab. »Komm, Efi! Rede mit dem Mann, der das Glück erfunden hat. Das ist sicher das größte Ereignis, seit Ktesibios seine Wasserorgel gebaut hat.« Jannis konnte die Schwester im Hintergrund hören. Obwohl er nicht verstand, was sie sagte, wusste er, dass in diesem Moment etwas unwiderruflich kaputt ging. Der Tonfall machte es ihm klar: Während er selbst sich überall ein bisschen befand, war Efi nirgendwo mehr.
Als er zu Granqvists zurückkehrte, wünschte er sich, ein Rattern wäre auf ein Jahrhundert gekommen und nicht auf eine Sekunde. Erneut fiel er in den Sessel in dem Wohnzimmer mit den Topfpflanzen und idiotischen Bildern an den Wänden. Er überlegte, dass der Abschied die einzige Disziplin war, die er niemals beherrschen würde.
Noch ahnte Jannis nicht, wie lange es dauern würde, bis er die Geschwister wiedersah – nein, das stimmt nicht: Er sah nur ein Familienmitglied –, und in der Zwischenzeit sollte sich vieles ereignen. Nicht nur Hochzeiten und Geburten. Und nicht nur Todesfälle. Auch Agneta konnte das nicht ahnen. Stattdessen schaltete sie die Deckenlampe an und aus und wieder an. »Wach auf, mein Supergrieche. Zeit, ins Bett zu gehen.« Als sie die Treppe
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