Der letzte Grieche
sehr sie auch gefeiert hatten, war er nie von dem Gefühl erfüllt gewesen, wirklich anwesend zu sein. Er hatte den anderen automatisch zugeprostet, gelacht, bis ihm die Wangen schmerzten, unter dem Tisch Agnetas Hand gedrückt, die seinen Händedruck erwidert hatte, ohne ihn anzusehen. Florinos’ Kinder schienen vor allem spielen zu wollen. Frau Lily hörte zu und lächelte darüber, was die Leute daheim seiner Meinung nach sagen würden, wenn sie die Neuigkeiten erfuhren. »Maja? Warum hast du uns nie erzählt, dass du eine Schwester hast?« Und wenn er zu Stavros und Vangelis hinübersah, hoben seine Arbeitskollegen jedesmal die Gläser und lachten in einer Weise, die mehr Wohlwollen andeutete, als technisch möglich war.
Doris und Branka fuhren fort, sich in kleinen Spiegeln zu betrachten, die sie anschließend in ihren Handtaschen aus echtem Leder verwahrten. Als Nyberg und der Metzger die Stühle zur Seite schoben und den Rasen in eine Tanzfläche verwandelten, nahm Frau Granqvist ihn zur Seite. »Du bist ein guter Junge, Jannis. Hier hast du es zurück. Na schön, wenn du darauf bestehst. Dann sagen wir eben die Hälfte.« Unmittelbar darauf forderte der Elektriker sie auf, und sie meinte, er tanze so gut wie Bertil in jungen Jahren. Anschließend wollte die Vermieterin jedoch mit Jannis tanzen, und während sie sich zu »Yellow Submarine« gegenseitig auf die Füße traten, steckte sie die Hand in die ehemalige Jackettasche ihres verblichenen Gatten und glaubte, das Geld, das sie zurückgegeben hatte, herausfischen zu können, ohne dass der Bräutigam es merkte. Gegen zwei trug Doktor Florinos die Kinder zum Auto und konnte sich nur mit dem Ellbogen verabschieden. Lily saß bereits auf der Rückbank und winkte müde. Als die frisch Vermählten in ihr Zimmer hinaufgehen wollten, lag die Vermieterin außer Gefecht auf der Couch. Jannis wollte ihr ins Bett helfen, aber Agneta meinte, sie könne sich ebenso gut da erholen, wo sie mit einer Hand unter dem Kinn wie ein uraltes Kind lag. Als sie Greta die Schuhe auszogen, war sie so friedlich in ihren Traum vertieft, dass sie keinem Menschen mehr ähnelte, den er kannte.
In dieser Nacht, oder vielmehr gegen Morgen, schloss er die Augen und hoffte, eine rauhe Zunge würde ihn wachlecken.
NEIN, NICHT WIE EIN HUND . Von den vielen Gesprächen, die nach der Hochzeit in Granqvists Küche geführt wurden, wählen wir als einziges das folgende aus:
»Liebst du mich?« Agneta sitzt mit einer Tasse in den Händen am Tisch. Sie pustet auf die heiße Milch, Jannis betrachtet den Putz an der Decke. »Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche. Ich habe dich was gefragt.«
»Das ich habe gehört.« Der Putz ist rissig.
»Und?« Wenn er nicht antworten will, wird sie eben warten. Nach einer Weile sagt sie trotzdem: »Würdest du sagen, dass du mich liebst?«
»Was du findest, ich soll tun?« Auch der Linoleumboden ist rissig.
»Du könntest zum Beispiel meine Frage beantworten. Wenn das nicht zu viel verlangt ist, meine ich. Warum sind wir verheiratet, wenn du mich nicht liebst?«
»Das bedeutet, ich jetzt muss etwas sagen?« Er fragt sich, wie viel es wohl kosten würde, einen neuen Fußboden zu verlegen.
»Liebst du mich oder liebst du mich nicht?«
»Wenn ich daran denke, was wir gerade gemacht haben, ich nicht würde sagen, ich dich nicht liebe …«
»Das ist keine Antwort«, sagt Agneta, der auffällt, dass ihr Mann den Konjunktiv gelernt hat. »Ja oder nein?«
»Ja oder nein?« Jannis greift nach der Tasse auf dem Tisch. Bestimmt tausend Kronen. Er bläst, die Haut löst sich und faltet sich an einer Seite. Er riecht noch den Duft seiner Frau an den Fingern. Seltsam, denkt er. Es ist, als gäbe es zwei Agnetas: die harte vor ihm, die weiche im Bett.
»Ich habe gesagt, dass ich gerne eine Ausbildung zur Krankenschwester machen würde, sobald das Kind da ist. Ist das so schwer zu verstehen? Du weißt, dass ich nicht mehr in Balslöv arbeiten kann, wenn die Florinos umgezogen sind. Aber während ich die Ausbildung mache, muss sich jemand um unser Kind kümmern. Und jetzt möchte ich von dir wissen, warum du mir nicht eine einfache Frage beantworten kannst. Sieh mich an, habe ich gesagt. Liebst du mich? Oder liebst du mich nicht?«
Vielleicht kann Jannis wirklich nicht antworten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er nicht will. Nachdem er sich verbrannt und geschluckt hat – die Milchhaut klebt an seiner Oberlippe – murmelt er: »Ich finde es besser, wenn du auf
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