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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Zwischen allem, was da drinnen vorgeht, in deinem großen kleinen Universum, gibt es keine Mücken. Noch lange nicht. Ich hoffe, du kriegst keine Angst, wenn sie kommen. Mücken gehören zum Leben, auch wenn sie stechen. Ob schwedische oder griechische spielt dabei nun wirklich keine Rolle.
    Oder er dachte: Gestern Nacht, als du immer weiter geschrien hast und ich versucht habe, dich zu trösten, wusste ich nicht, was ich noch tun sollte – nur, dass ich dich weiter hätte trösten können, bis ich graue Haare bekommen hätte und du erwachsen gewesen wärst. Jannoula, die Welt kann nichts erfinden, was ich nicht für dich tun würde. Ich werde dir jetzt ein Geheimnis verraten: Du bist all das Beste in mir, ja, sehr viel mehr ich selbst, als ich es jemals werde sein können. Dich gibt es jetzt … Warte. Sieben Wochen, zwei Tage und ein paar Stunden. Aber schon heute kann ich nicht mehr ohne dich leben. Wenn du verschwinden würdest − tss, hör mir zu, ich werde phantastisch –, müsste ich ein anderer werden. Aber du hast andere Pläne, nicht wahr? Möchtest du vielleicht Astronautin werden? Oder Taucherin? Es würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn du etwas hoch oben oder tief unten werden würdest. Aber was immer es sein mag, ich weiß, dass du uns stolz machen wirst. Ich weiß es einfach.
    Oder er dachte: Schläfst du gut nach der ganzen Schreierei? Es scheint so. Darf ich dich trotzdem etwas fragen? Ich frage mich so sehr, ob es sich anders anfühlt, auf Schwedisch statt auf Griechisch getröstet zu werden. Ich hoffe nicht! Als deine Mama übernahm, schlief ich mit dem Kissen auf dem Kopf ein. Ich träumte, dass ich mich in einem großen Saal mit vielen Menschen befand. Der Parkettboden glänzte, die Kronleuchter funkelten. Als würden der Herr Doktor und seine Frau ein Fest feiern, aber myriadenmal größer. Alle fielen sich gegenseitig ins Wort. Die femininen Substantive trugen Perücken und hielten sich Masken vors Gesicht, die auf Stielen saßen. Die maskulinen trugen knielange Hosen und hielten die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Nur ich war still. Plötzlich verstummte der Saal. Die Gläser klirrten, während die Menschen zurücktraten. Ich landete am äußersten Ende, am Rande des Traums. Ein Mann blieb allein mitten im Raum zurück. Als es vollkommen still geworden war, begann er merkwürdige Bewegungen zu machen, vor allem mit seinen Händen und Füßen. Er grub mit einem unsichtbaren Spaten. Er lief mit ausgreifenden Schritten Schlittschuh. Er spielte Krocket. Anfangs dachte ich, das wäre lustig und überraschend und lachte wie alle anderen auch, aber dann kamen mir die Verben bekannt vor, und am Ende begriff ich, der Mann spielte mich. Obwohl er alles richtig machte, empfand ich es jedoch nicht so. Das war nicht meine Freude oder meine Verwunderung, nicht mein Verlust oder Schmerz. Der Genitiv war falsch! Für einen Moment kam es mir vor, als hätte er sich in die falsche Person verirrt. Ich versuchte ihm zu erklären, wenn das die Darstellung eines Georgiadis sein sollte, war er zu tief gedrungen, ohne zu klären, wo er sich befand. Es war jedoch, als spräche ich unter Wasser. Es kamen keine Worte, nur idiotische Blasen. Ich versuchte voranzukommen, doch auch das ging nicht. Alles war wie Seegras. Ganz gleich, was ich auch anstellte, es wollte mir einfach nicht gelingen, dem Mann zu zeigen, dass er nicht tun durfte, was er da tat. Dann wurde mir bewusst, warum ich das Gefühl hatte, unter Wasser zu sprechen. Ich war in der falschen Sprache gefangen.
    Oder Jannis dachte: Ich denke nicht, dass wir noch hier sein werden, wenn dein Kopf groß genug für Mücken ist. Sanitärporzellan in allen Ehren, aber du willst doch bestimmt Papas Kastanienbaum von innen sehen? In ein paar Jahren sitzen die Obristen auf den Inseln. Dann werden wir uns ein neues Auto kaufen und hinunterfahren. Ich habe deiner Mama versprochen, ihr Potamiá und das Badehaus zu zeigen. Vielleicht will sie auch Maja treffen? Ich denke, dass Mama eine Stelle beim Doktor in Neochóri bekommen könnte. Und die Schule dort ist gut, das verspreche ich dir. Wenn du Fragen hast, die deine Lehrer nicht beantworten wollen, kannst du immer zu mir kommen. In Griechenland tun sie sich noch immer ein bisschen schwer mit dem Thema Blumen und Bienen. Übrigens … Sollte man vielleicht Herrn D. importieren und damit Geld verdienen? Nein, ich glaube nicht, dass ich auf die Art reich werden möchte. Ein paar Griechen mehr stören doch

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