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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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keinen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Ersparnisse trotzdem reichen werden, um Tsoulas das Feld wieder abzukaufen. Dann werde ich ein richtiges Haus bauen mit Porzellan aus Bromölla und geometrischen Tapeten. Anfangs wird es unser Sommerhaus sein, und dann sehen wir weiter. Mama und ich müssen uns nur erst über die praktischen Dinge einigen. Nein, Liebes, es geht nicht um Herrn D.! Aber man weiß nie. Vielleicht bekommt Maja ja noch mehr Kusinen, ehe wir hinfahren?
    Mag sein, dass Jannis sich unbeholfen vorkam, wenn er nach solchen Gedankengängen auf Schwedisch fortfuhr. Aber er ahnte, dass die zukünftige Fünf- oder Siebenjährige seine Bemühungen zu schätzen wissen würde, und es gab, wie gesagt, nichts, was er nicht für sie getan hätte. Deshalb fuhr er fort, seine Träume in Worte zu kleiden, die mit der Zeit zu immer eigentümlicheren Gebilden wurden. Nach einer Weile hatte er sich in derart kühnen Sätzen verheddert, mit Unterholz und allem, dass er weder vor noch zurück konnte. Er bekam keine Ordnung mehr in die Bezüge, die plötzlich mehr Arme entwickelt zu haben schienen, aber ohne Beine waren, und merkte, dass die Hoffnungen, die wie zerknitterte Regenbogen geschimmert hatten, sich in einer Welt aus nadellosen Bäumen und grauem Gras verloren. Kurzum: Als der Schnee schließlich liegen blieb, hatte er keine andere Wahl, als sich vor und zurück zu wiegen und sich mit seinem Kind im Arm in weißen Gedanken zu verlieren.
    Bei einer dieser Gelegenheiten kam seine Frau ins Zimmer. Sie hat uns persönlich davon erzählt – auch, dass sie ihren Bademantel anhatte. Vermutlich spielte etwas Sprödes und Freundliches, aber bestimmt auch Stoisches um ihre Lippen. Während Jannis in die Augen des Kindes versunken summte – »Du bist ich, ich bin du« – hob sie die Spielsachen und Lehrbücher auf, die rund um die Couch verstreut lagen. Dann stellte sie das Keramikgefäß auf das Tablett und wollte schon in die Küche gehen, als sie ihren Mann murmeln hörte: »Subjekt, Objekt … Was spielt das für eine Rolle?«
    HIER UND DA . An einem Frühlingstag, als es an anderen Orten noch Winter war, geschah das Unmögliche: Vater Lakis gelang es, Vasso zu überreden, die Nische hinter dem Altar zu besuchen. Dort war ausreichend Platz für einen Aktenschrank, ein paar Stühle und einen Schreibtisch. Mitten zwischen den Schalen mit getrockneten Sonnenblumenkernen thronte seit zwei Wochen eine Kathedrale aus Bakelit. Nach langjährigen Verhandlungen mit der Synode hatte der Geistliche die Anschaffung eines Telefons durchgesetzt. Ohne Stefanopoulos’ Apparat wäre ihm dies wohl nie gelungen, aber als der Metropolit in der Provinzhauptstadt hörte, dass man nur eine Leitung vom Kaffeehaus zur Kirche ziehen musste, hatte er nachgegeben. Im Übrigen würde der Apparat den Kontakt mit dem unbequemen Glaubensbruder erleichtern, dem nicht nur der Metropolit ein schnelles, schmerzfreies Ableben wünschte, gelobt sei der einzige Gott.
    Vasso, die nach ihrer Kindheit bei Frau Poulias an den Allmächtigen glaubte wie andere an den Teufel, sträubte sich lachend. Sie benahm sich, als wäre sie wieder siebzehn und würde zum ersten Mal umworben. Dieser schwarze Koloss war nichts für sie. Er sah zwar aus wie eine Kirche, aber wenn er nun ihre Stimme für immer behielt? Vor lauter Lachen tränten ihre Augen, als sie sich schließlich doch erweichen ließ. Obwohl sie mit Glühbirnen vertraut war und Despinas elektrische Heizdecke bedienen konnte wie ein Ingenieur, war es das erste Mal, dass sie telefonieren würde. Eine Minute verstrich, dann schrillte der Apparat. Auf der Rückseite des Dings saß ein Auswuchs von der Größe eines Eishockeypucks. Vasso glaubte, da hinein sprechen zu müssen, aber Vater Lakis presste ihr den Hörer ans Ohr und griff selbst nach dem Puck. Die Telefonistin vergewisserte sich, dass das Gespräch angenommen wurde, und verband. » Manoúla , bist du es?« Die Stimme, die sich herauslöste, war leise und ein wenig verzerrt, aber deutlich zu erkennen. Die Mutter blickte auf. Wie konnte in diesem Hörer Platz für ihren Sohn sein? Schleunigst legte sie auf und bekreuzigte sich. Großer Gott, Teufelswerk. Sie gedachte ihre Spucke zu sparen.
    Viele Kilometer nördlich musste Jannis die Telefonistin bitten, ihn nochmals zu verbinden. Während er wartete, hörte er seinen eigenen Atem hallen und sich verflüchtigen. Schließlich meldete sich seine Mutter. Sie sprach seinen Namen ganz ohne

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