Der letzte Grieche
wühlte, bekam er schwarze Finger, fand am Ende aber, wonach er suchte: Die Typen, die man benutzt hatte, um das Motto zu Jan Olléns Gedichtsammlung auf Griechisch zu setzen. Es handelte sich um eine alte Olympia mit abgegriffenen Ecken, die auch Konsonanten aspiriert aussehen ließ. Weil Freitag war, klingelte die Glocke – die wegen ihrer Farbe »rote Klara« genannt wurde – schon um halb vier. Die Druckerpressen verloren an Schwung, und als die Platten gewaschen und die Zylinder geputzt waren, schaltete der Vorarbeiter je zwei Neonröhren auf einmal aus. Nur die Karte des Griechen steckte noch rechts von der Stechuhr, was Engberg veranlasste, im Lager nachzusehen. Er fand seinen Kollegen in dem Container auf dem Hof, wo er stampfend das Material zusammenpresste. Jannis wischte sich Spinnweben aus dem Gesicht und sagte, er wolle mit der Abstellkammer fertig werden, bevor er nach Hause gehe. Der Vorarbeiter zuckte mit den Schultern. In der Hand hielt er einen Henkelmann. »Hauptsache, du schließt hinter dir ab.«
Sobald Jannis allein war, ging er wieder ins Büro und zog die Holzschublade mit ihren Schätzen heraus. Anschließend arbeiteten er und die Olympia bis zehn Uhr. Im Bus nach Hause trommelten die Finger auf dem Umschlag in seinem Schoß. Jannis’ Zufriedenheit war für den Fahrer, der ihn verstohlen musterte, unübersehbar. Nachdem es ihm gelungen war, Agneta und Jannoula im gestreiften Licht der Jalousien im Schlafzimmer auszumachen, tapste er in die Küche. Er wollte, er musste seine Freude bändigen. Gründlich spülte er das Keramikgefäß aus, das seine Frau stehen gelassen hatte, und bestrich zwei Scheiben Brot mit Butter. Er kochte Tee, nahm die Zuckerdose vom Kräuterregal und verrührte ein paar Löffel in einer Tasse. Dann schob er die alten Zeitungen zur Seite und wischte die Krümel in seine Hand. Jede dieser Bewegungen zähmte seine Freude ein wenig. Aber am Ende gab es kein Halten mehr. Als Agneta ihren Mann kurz vor Mitternacht am Küchentisch sitzend vorfand, hatte er ein Dokument vor sich und einen seligen Ausdruck im Gesicht. »Ich glaube«, sagte er, während sie den Muttermilchersatz erwärmte, »ich glaube, im Herbst ich fange an zu studieren«.
ERSTE HILFE IM NEUGRIECHISCHEN. Weil bald vieles geschehen wird, sparen wir uns die Streitgespräche, die an der Tagesordnung waren, als Agneta entdeckte, dass Jannis ein Abgangszeugnis besaß und im Herbst ebenfalls studieren wollte. Es reicht aus, wenn wir sagen, in beiden reifte der Verdacht, dass sie sich mehr liebten, wenn sie getrennt waren, denn wenn sie zusammen waren, warteten sie anscheinend bloß darauf, verletzt sein zu dürfen. (Ein typisches Beispiel: Als Agneta darauf hinwies, wie anstrengend ein acht Monate altes Wesen war, vor allem, wenn man zehn Mal am Tag Brei erwärmen und Windeln wechseln musste, erwiderte Jannis, dass man für die Liebe niemals zu müde sein könne. »Dann bin ich also nicht gut genug, ist es das, was du mir sagen willst?« »Ich nicht meine das. Aber wie du schaffst zu studieren, wenn du nicht einmal schaffst zu lieben?« Etc.)
Stattdessen folgt an dieser Stelle ein Auszug aus einem 36-seitigen Handout mit dem Titel Erste Hilfe im Neugriechischen , das Jannis austeilen sollte, als er in seinem späteren Leben anfing, Kurse an der Volkshochschule zu geben. Darin werden eine Reihe von Beobachtungen gemacht, die belegen, dass die Studien, die er ohne fremde Hilfe betrieb, während die Tochter in seinen Armen schlief, erfolgreich gewesen waren. Wir schlagen die Schrift in der Mitte auf und übertragen die Sätze der Einfachheit halber aus dem Griechischen:
»Im vorigen Kapitel haben wir gesehen, dass Subjekt und Objekt den Platz tauschen können. In diesem werden wir lernen, Fragen, Behauptungen und Aufforderungen zu identifizieren. Warnung: Im Griechischen folgen den Fragen nicht immer Fragezeichen, den Aufforderungen nicht immer Ausrufezeichen. Die Prosodie kann tückisch sein! Außerdem enthalten drei Punkte mehr als nur Schweigen. Hier ein Beispiel mit Kommentaren:
›Beschreibe, was du tust!‹
›Den Himmel ansehen?‹ (Beachten Sie, wie der Satz endet. Die Melodie enthüllt jedoch, dass es sich um eine Feststellung handelt. Das Fragezeichen wird folglich rhetorisch benutzt – etwa: ›Lass mich in Ruhe. Siehst du nicht, dass ich denke?‹)
›Sag, was du empfindest …‹ (Ein Schweigen voller Forderungen.)
›Ein großes Loch? Eine Welt, die die Luft anhält? Zikaden, die man nicht
Weitere Kostenlose Bücher