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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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unserem Land zu einem Fall von schwerer Bleivergiftung gekommen. Bei sämtlichen Erkrankungen haben die Betroffenen Saft in Keramikgefäßen aufbewahrt, die sie in Griechenland gekauft hatten. Auch bei Personen im Umfeld konnten erhöhte Bleiwerte im Blut nachgewiesen werden. Blei kann zu Blutmangel führen und das Nervensystem schädigen. Am empfindlichsten reagieren Föten und Kleinkinder. ›Wir warnen davor, Keramik unbekannter Qualität für Lebensmittel zu benutzen. Dies kann auch für Keramik gelten, die an anderen Orten als Athen gekauft wurde‹, erklärt die Toxikologin Kerstin Pettersson. Das betreffende Gefäß wurde während einer Urlaubsreise im letzten Sommer erworben. Bei einer Probeanalyse wurden 800 mg Blei pro Liter 4-prozentiger Essigsäure freigesetzt. Gefäße, die mehr als 4 mg pro Liter freisetzen, dürfen nicht in den Handel gelangen. Bleivergiftungen führen zu diffusen Symptomen wie Müdigkeit, Verstopfung, Appetitlosigkeit, gefolgt von Diarrhöe und Kopfschmerzen. Blei schädigt die roten Blutkörperchen und führt zu Blutarmut. Blei kann zudem das Nervensystem angreifen. Es wirkt besonders schädlich, wenn das Gehirn noch in der Entwicklung ist. Die staatliche Lebensmittelkontrollstelle fordert die Tourismusbranche auf, ihre Kunden über die Risiken beim Kauf von Souvenirs aus Keramik aufzuklären. Man wird sich darüber hinaus mit den zuständigen griechischen Behörden in Verbindung setzen.«
    Es verstrichen drei Sekunden, dann stolperte Jannis zur Toilette. Agneta hörte Laute, die sie nicht identifizieren konnte. »Was ist denn nun wieder los?«, murmelte sie, als die Geräusche fünf Minuten später noch nicht aufgehört hatten. Widerwillig stand sie von der Couch auf. Sie hatte darauf gezählt, dass ihr Mann das Abendessen zubereiten würde, statt sich wie ein pubertierender Jugendlicher zu benehmen. Aber er öffnete ihr nicht, sondern schloss die Tür von innen ab.
    UNGESUNDES WISSEN . Als es Herbst wurde, war es nicht leicht, Pazifist zu bleiben. In My Lai wurden Schädel gebrochen, in Springfield, Massachusetts, Beine, auf Jaros Finger und Zehen. Und überall Seelen. In einer Küche in Lund wurde ein Keramikgefäß an einer nussbraunen Wand zerschlagen. Unter Tränen wurden Gespräche mit Freundinnen geführt und ein nächtlicher Pakt geschmiedet: Der eine Part behielt die Wohnung, der andere seine neue Liebe …
    Aber wir greifen den Ereignissen voraus. Im Moment befinden wir uns im Spätsommer 1969. Noch tragen die Bäume grüne Blätter und rote Transparente und es ist kein Unglück geschehen. Außer in Áno Potamiá. Und dort lässt sich das Katastrophengebiet auf den Hang unterhalb der Tabakpflanzungen des Weinhändlers eingrenzen. Die Zypressen nadeln, die Bambusblätter sind grau. Unter dem Bastdach, das zwischen den Bäumen gespannt ist, im Zimmer neben der Küche, leidet Despina Georgiadis an den Folgen einer unbehandelten Bleivergiftung. Es lässt sich nur schwer sagen, was der Blutarmut und was der Verkalkung geschuldet ist, was Nervenschäden sind und was gute alte, ehrenwerte Demenz. Als Vasso mit einer heißen Bouillon und gekochtem Reis auf einem Tablett zu ihr hineingeht, ist es jedenfalls unmöglich, nicht das Echo von Jannis’ Würgen in vielen Kilometern Entfernung zu vernehmen. Als die alte Frau ihre Schwiegertochter wahrnimmt, die ausnahmsweise mit einem langen, beigen Hemd bekleidet ist, legt sie sich auf die Seite und übergibt sich trocken in einen Eimer. »Raus aus meinem Land«, murmelt sie. Die Kleidung hat sie offenbar veranlasst zu glauben, die Besucherin wäre ein türkischer Soldat in Sommeruniform. Lustlose Fliegen schwirrten durch die Luft. Vasso ging auf den Hof hinaus, wo sie das Essen in Majas Napf gab. Sie wusste, dass ihre Schwiegermutter nicht mehr lange leben würde, war aber trotzdem verletzt. Seit Jannis’ Abreise hatte Despina sie so behandelt, als wäre sie weder Fürsorge noch Mühe wert. Als wäre das einzige, was sie von den Tieren unterschied, diese Nebensächlichkeit: dass sie sprechen konnte.
    In diese wenig erbaulichen Gedanken versunken fand Vater Lakis sie. Jannis’ Mutter saß mit Kastanien im Rockschoß im Haus. Er gab sich alle Mühe, sie zu erweichen, aber sie wollte ihn nicht noch einmal zu seinem Telefon begleiten. »Nehmen Sie die da drinnen mit«, sagte sie. »Ihr boshaftes Mundwerk muss dringend gelüftet werden.« So kam es, dass Despina Georgiadis, 94 Jahre alt und 51 Kilo schwer, an einem Augusttag das Bett

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