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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Wenn man sehen wollte, waren nun zwanzig erforderlich. » Gamó tin pána …« Tsoulas schluckte den Rest des Fluchs hinunter, wischte sich den Mund ab und ging mit. Die Bulgaren überlegten in einem Idiom voll harter Kanten und weicher Wölbungen. Man sah, dass Vasil setzen wollte. Er hatte diesen Jetzt-oder-nie-Blick, den Jannis im Zaum zu halten hoffte. Aber Bogdan nahm ihm die Karten aus der Hand und warf sie fort. Unser Held betrachtete die ihm verbliebenen Hölzer, unter denen sich ein alter Fleck ausbreitete. So lange er sie auch anstarrte, es waren nicht mehr als sieben. Irgendjemand murmelte etwas. Da hatte er das beste Blatt in anderthalb Tagen auf der Hand, und jetzt fehlte es ihm am … »Ich sagte«, wiederholte Tsoulas, »dass du dir jederzeit Geld leihen kannst.« Jannis blickte auf. »Mit welchem Pfand? Die Ziegen sind unverkäuflich. Die Hühner auch.« Das Gesicht des Weinhändlers war mittlerweile rosa und weiß, seine Ohren waren wirklich absurd klein. »Hühner? Ziegen? Nicht einmal unsere bulgarischen Freunde würden die Viecher bespringen wollen. Nein, mein Lieber, die darfst du behalten.« Er lachte melodisch. »Ich hatte an etwas anderes gedacht.«
    Jannis sortierte seine Alternativen nach bestem Wissen und Gewissen. Wenn er passte, würde er hundertzehn Streichhölzer Verlust machen, ohne die Chance zu haben, sich das Verlorene zurückzuholen. Und ohne die Chance, ein neues Dach zu decken. Wenn er sich von Tsoulas etwas lieh und nicht gewann, würde er hundertdreißig Verlust machen – und nicht nur das Dach, sondern auch seine Ehre an den einzigen Menschen im Dorf verlieren, dem er nichts schuldig sein wollte. Er überlegte. Die Tiere konnte er nicht setzen, der beschädigte Kühlschrank war nicht viel wert. »Der Stall?«, murmelte er plötzlich, von seiner eigenen Stimme überrumpelt. Der Weinhändler grunzte, er suchte gerade nach Zigaretten. »Ich habe gesagt, dass ich mir etwas leihe und den Stall dafür einsetze«, wiederholte Jannis, der seiner Stimme immer noch nicht traute. Im gleichen Moment erkannte er jedoch, was sie sagte, und dachte, dass er dabei war, etwas zu tun, was nicht sein durfte. Welcher kranke Dämon flüsterte ihm ein, das zu setzen, was er retten wollte? Welcher böse Geist verleitete ihn, auf Tsoulas zu hören? Zwar konnte er unterhalb des Felds einen neuen Stall bauen, wenn er den alten verlor – auch wenn dieser schräg sein müsste, da die Böschung abschüssig war. Aber er hatte weder das Recht noch die Mittel zu tun, was seine Stimme versprach. Nicht, wenn man bedachte, was zwischen ihm und dem Weinhändler vorgefallen war, nicht, wenn man an Efi dachte.
    Als Jannis Tsoulas mit der Zigarette nesteln sah, die Bogdan ihm reichte, wusste er jedoch, dass er nicht verlieren würde. Worte würden Worte bleiben. Jeder sah, der Dorfbonze versuchte zu überspielen, dass er schlechte Karten hatte. »Du meinst Petridis’ alten Schuppen?«, sagte er, als der Tabak brannte. Bárba Pippis verzog die Lippen, die Bulgaren verstanden kein Wort. »Du liegst, wie viele, hundert, hundertzehn Streichhölzer hinten? Und zum Sehen brauchst du jetzt zwanzig. Bist du sicher, dass du nicht lieber dafür bezahlen solltest, die Bruchbude loszuwerden?« »Thanassis, allein das Land, auf dem er steht, ist schon mehr wert.« »Entáxi, entáxi …« Der Weinhändler hielt die Hände hoch. »Wenn bárba Pippis mit dem Darlehen einverstanden ist, werde ich dich nicht hindern. Du wirst schon wissen, was du tust. Aber das Feld ist inbegriffen.« »Das Feld?« »Das Feld.« Jannis war so müde und aufgewühlt und außer sich – kurzum: so wenig Jannis –, dass er bloß nicken konnte. Der Lebensmittelhändler zuckte mit den Schultern. »Du leihst dir diese Hölzchen hier also gegen Stall und Feld. Die Tiere darfst du behalten. Wir sind keine Blutsauger. Dann zeig uns mal deine Karten.«
    Jannis spürte, dass sich die Erleichterung in seinem Körper wie Äther verflüchtigte. Das Risiko war so groß und irrsinnig, dass er einfach nicht verlieren konnte. In keinem Dorf, keinem Land und keiner Welt verlor man mit einer Straße wie dieser. Ein letztes Mal betrachtete er die hübsche Pikreihe, dann breitete er seinen Trauerflor auf dem Filz aus. »Zum Teufel auch«, zischte Tsoulas, der offenbar geglaubt hatte, dass Jannis bluffte. »Eine Straße in einer Farbe mit der Acht als höchster Karte. Die führt geradewegs zu unserem Herrgott, nehme ich an.« Er warf seine Karten von sich. »Nur ein

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