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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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sich soeben hinten in den Schlitten setzte. Später besorgte sie folgende Niederschrift:
    JUNGER REPORTER: Eins, zwei, eins zwei. Es ist 17.35 in Balslöv. Heute ist der 21. Mai. Papa ist in Lund und demonstriert. Aber wir haben das Glück, Ioannis Georgiadis zu treffen, einen anderen Griechen. Hallo, anderer Grieche! Beschreibe die Lage nach einem Monat. Fräulein Gott wusste nicht so viel …
    EIN ANDERER GRIECHE: Die Lage? Knockout in zwei Stunden. Harte Schläge von Offiziers – man sagt so?
    JUNGER REPORTER: Offizieren, glaube ich.
    EIN ANDERER GRIECHE: Junta, wir können sagen. Was ihr Ziel? Das Land vor Invasion aus dem Osten schützen. Codename: Operation Prometheus.
    JUNGER REPORTER: Was hat man gemacht?
    EIN ANDERER GRIECHE: Dreitausend Soldaten. Nacht, Tanks, Überraschung. Tzack-tzack, sie nehmen TV -Haus ein, tzack-tzack, sie nehmen Parlament, Gericht, Flughafen ein … Syntagma und Omonia auch. Tzack-tzack, sie nehmen überall wichtig in Athen ein, ein bisschen in Patras, etwas weniger in Makedonien.
    JUNGER REPORTER: Wie konnte dieser Putsch geheim gehalten werden? So große Truppeneinheiten zu mobilisieren kann nicht leicht gewesen sein.
    EIN ANDERER GRIECHE: Soldaten, sie stecken in Kaserne im Norden Athens. Verschworene Truppe. Unbekannte, aber gut geölte Athleten. Spezialisten darin, »Aufruhr« niederzuschlagen. Manche, sie behaupten: Vielleicht Hilfe von fremder Macht.
    JUNGER REPORTER: Amerika?
    EIN ANDERER GRIECHE: Wer weiß? Ich nicht glaube, dass Amerika, es schwitzen muss im Mittelmeer. Amerika, es hat vieles andere, worin es schwitzt. Israel, Biafra, Vietnam als Beispiel. Obwohl der Herr Doktor, er glaubt anderes, Kostas, er auch. Du fragst sie, ja?
    JUNGER REPORTER (ins Mikrofon flüsternd) : Die Meinungen unter den Auslandsgriechen gehen offenbar auseinander.
    EIN ANDERER GRIECHE: Konstantin, er ist schwach. Seine mána sie sagt: »Unterschreib!« Der König, er unterschreibt. Tschüss Demokratie.
    JUNGER REPORTER: Mit welchen Folgen?
    EIN ANDERER GRIECHE: Wie meinst du? Tschüss, Demo … Aha, ich verstehe. Politiker, sie kommen ins Gefängnis. Jedenfalls, wenn sie wichtig sind. In Griechenland fast alle Politiker sind wichtig, also fast alle Politiker Gefängnis. Parteien und Organisationen, sie auch werden verboten. Freie Presse, sie ist nicht mehr so frei. Tausend Bürger, sie bekommen Heimbesuch. Man sagt so?
    JUNGER REPORTER: Sie werden heimgesucht, glaube ich.
    EIN ANDERER GRIECHE: Né, né . Myriaden von Griechen, sie werden heimgesucht. In der Nacht Türen, sie werden eingetreten. Väter, sie sagen: »Tschüss, Mütter«, Mütter, sie sagen: »Tschüss, Kinder«. Alte, Kranke, tzack-tzack, alle sie werden geschleift in Pyjamas – zu den Inseln natürlich. Besucher, sie zerschlagen Teller, Brillen, Porzellan. Auch anderes. Knochen als Beispiel.
    JUNGER REPORTER: Beschreibe bitte eine der Inseln.
    EIN ANDERER GRIECHE: Was es gibt da zu beschreiben? Immer die gleiche Hölle. Beispiel Jaros. Siebzehn Quadratkilometer Stein. Jaros, das ist Militärgebiet. Superverboten. Luft und Meer, sie sind abgesperrt. Sie überhaupt nicht sind wie in Bibel. Auf Jaros, es gibt Skorpione und Krankheiten und mindestens siebentausend Gefangene. Aber nicht eine Toilette. Wie die Gefangenen, sie ihre Därme entleeren? Viele, sie sind Frauen. Ein Teil Frauen, sie bald werden Mütter. Wie sie leeren ihre Bäuche? Sie wohnen in Block Ormos 1. Da wohnen nur gefährliche Elemente. Keine losen, sondern gefährliche. Weißt du, was gefährliche …? Né , wie Skorpione. Nicht wie Mütter. Insgesamt acht Kasernen aus Beton. Vier, sie sind kleiner, zwei, sie sind mittel und zwei, sie sind groß. Diese winzig kleinen – wie sagt man? Du weiß schon: die winzig kleinen, in denen die Gefangenen wohnen?
    JUNGER REPORTER: Zellen?
    EIN ANDERER GRIECHE: Né , Zellen. Die Zellen, sie sind heiß wie Öfen im Sommer. Bestimmt sie sind nicht heiß wie Öfen im Winter. Um den Block, es gibt Wachtürme, Stacheldraht, Maschinengewehr. Und Kanone. Du vielleicht hast gesehen die Bilder von Fred?
    JUNGER REPORTER: Für das Protokoll: Der Grieche, mit dem wir sprechen, meint Fred Ihrt, einen deutschen Journalisten, der sich kürzlich über das Überflugverbot hinweggesetzt hat. Drei Mal ist er auf Jaros herabgestoßen, um die Bilder zu machen, die vor kurzem im Stern veröffentlicht wurden. Unsere Assistentin hat die Ausgabe gekauft. Mama?
    Undeutliche Bewegungen, Rascheln.
    EIN ANDERER GRIECHE: Frau Lily kann sagen mehr

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