Der letzte Grieche
wenige Zentimeter voneinander entfernt. Endlich. Seit dem Besuch am Fluss hatte sie von dieser Nähe geträumt, sie hatte sich nach ihr gesehnt wie andere nach dem Himmel. Jetzt war ihr fast egal, was geschehen würde. Endlich war alles möglich. Nach einem trägen Nachmittag, den sie im Schatten der Obstbäume liegend verbracht hatten, ohne einander zu berühren, aber so nah, dass sich die Haare auf ihren Armen aufgerichtet hatten, schien endlich zu geschehen, wovon alle annahmen, dass es längst geschehen war. Efi drehte sich um und wollte etwas sagen, aber noch ehe sie aufblicken konnte, spürte sie Jannis’ Zähne an ihren. Sie pressten sich gegen die Lippen, rutschten ab und bissen sie in die Zunge. Plötzlich bestand die Welt aus Hunger und Speichel. Sie ließ sich lachend, den Freund über sich, fallen. Endlich. Sie spürte das Gewicht, sie spürte die weiche Härte. Endlich. Sie dachte, dass sie schon immer zusammengehört hatten, aber erst jetzt wurde es wahr. Endlich, endlich. Es vergingen Minuten voller Eifer und zunehmender Atemnot. (Wir haben nicht vor, ins Detail zu gehen.) Dann schob Efi ihren Freund, sanft aber bestimmt, von sich. Lachend gestand sie ihm, dass sie keine Luft mehr bekam. Kaum hatte sie jedoch ihre Lunge gefüllt, als sie auch schon merkte, dass sie es nicht aushielt, und ließ seine gierigen Lippen erneut ihre finden.
Wieder fielen sie nach hinten und diesmal blieben sie liegen. Wie lange wusste hinterher keiner zu sagen. Abgesehen vom Licht der Straßenlaterne wurde es in dieser Zeit stockfinster und ihre Hände arbeiteten zehn Jahre einer immer weniger kindlichen Sehnsucht ab. Irgendwann tat der Untergrund trotzdem so weh, dass Efi glücklich aufstöhnte: »Hilf mir auf, Jannis. Sonst geht meine Hüfte kaputt.« Sie zog das Gummiband vom Zopf, schüttelte ihr Haar aus und steckte es wieder hoch. Jannis, der zur Seite gerollt war, lag mit ausgestreckten Armen, als wollte er im Staub einen Engel machen. Efi war erhitzt und entrückt, sie begriff, dass etwas geschehen war, das ebenso lange währen würde wie die Nässe auf den Steinen.
Als sie sich von neuem über ihren Freund lehnte, erkannte sie jedoch, dass sie im Begriff war, einen Fehler zu machen. Es ist schwer zu sagen, was ihr diese Gewissheit gab. Aber diesmal begriff sie, dass sie nicht mit einem Lachen abtun können würde, wohin ihre Handlungen führten. Ein wichtiger Teil von ihr scherte sich nicht um die Folgen. Sie war so voll von Pfirsichen und elektrischem Licht und Zikaden, dass die Schmerzen in der Hüfte das letzte waren, wovor sie sich fürchtete. Doch auch wenn sie mittlerweile siebzehn war, und auch wenn sie dachte, dass sie tun konnte, was sie wollte, gab es auch noch eine andere Efi, die Tochter war, und als sie ihren Schatten sah, der sich auf Jannis’ Gesicht legte, war es diese Efi, die nun zögerte.
Mittlerweile waren Jannis’ Hände überall auf ihrem Körper – umschlossen ihre Taille und den Nacken, wo sie am empfindsamsten war, lagen aber auch auf Brüsten und Po. Das können unmöglich nur zwei Hände sein, dachte sie. Als sich die Finger eines der vielen Händepaare unter dem Stoff hochtasteten, hatte sie einen vagen Blutgeschmack im Mund – ihr Freund hatte sie gebissen – und sie wandte sich instinktiv ab. Aber die Hände schienen nicht zu verstehen, oder es handelte sich um ein neues Paar, das noch nicht zum Zug gekommen war. Eifrig machten sie weiter, und als ihr Freund sich an sie presste, spürte sie mehr als nur Hüftknochen. »M-um«, brachte sie heraus. Im Grunde brauchte Efi nur etwas Zeit, um zu verstehen, ob es das war, was sie tun wollte und sollte. Aber Jannis war mit etwas beschäftigt, was seinen Gürtel einbezog, unklar, was, und hörte sie nicht. Stattdessen presste er sich nun erneut an sie. Nach einer Weile schlossen sich seine Hände um ihre (es handelte sich trotz allem doch nur um zwei), zärtlich und nichts fordernd, aber dennoch mit einer Bestimmtheit in den Bewegungen, als hätten sie in diesem Leben nur einen einzigen Zweck, und führten sie anschließend nach unten, dorthin, wo er etwas mit seinem Gürtel gemacht hatte. »Éfi, óch, Éfi mou …« Er stöhnte. Und Efi? Genau. Sie sagte mit dem Teil von ihr, der noch Tochter war: »Ein anderes Mal, Jannis. Warte … Nein, bitte. Warte.« Freundlich schob sie seine Hände fort. »Ein anderes Mal, hörst du.«
Wir sollten das Paar an diesem Punkt eigentlich in Frieden lassen. Aber der Abend war noch nicht vorbei. Als
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