Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
Vom Netzwerk:
Efi den Staub abgeklopft hatte, suchte sie nach einem passenden Gesichtsausdruck. Jannis war in der Hocke, als sie auf ihren Stock gestützt losging. Nachdem er den Gürtel zugezogen hatte, hob er die Münze auf und trottete ihr – innerlich erhitzt und finster – hinterher. Warum war Efi in Panik geraten? Er wollte ihr doch nichts tun, er wollte nur, was sie selbst wollte. Sie gingen die Landstraße zum Dorf zurück. Als sie in einem Kaffeehaus verschwand, folgte er ihr. Der Besitzer ließ gerade die Jalousien herab. Sie bestellte eine Limonade, korrigierte sich jedoch auf zwei, als sie ihren Freund erblickte. Jannis kam sich dumm vor. Er fühlte sich in dem grellen Neonlicht nicht wohl, das ihn im Eilverfahren abzuurteilen schien und vermutlich im nächsten Moment auf eine der Inseln verbannen würde. Überwältigt knallte er die Münze auf den Glastresen und schaute sich um, als befände er sich im falschen Film. Vielleicht auch im falschen Leben. Dann ging er.
    Es wird wohl das Beste sein, binnen kurzem zur anderen Seite der Münze zurückzukehren.
    DER SCHWÄRZESTE FREITAG IN DER GESCHICHTE DES MONATS APRIL . »Ach, du lieber …« Während das Geräusch der Münze, die auf den Glastresen schlug, noch in unseren Ohren widerhallt, treffen in Haus Seeblick Besorgnis erregende Nachrichten ein. »Manolis, Jannis, kommt mal!« Die Männer eilten, gefolgt von den Kindern, die im Flur Hockey gespielt hatten, die Treppe hinauf. Jannis hob das jüngste hoch. Alle blieben auf der Schwelle zur Bibliothek stehen, wo Lily, ein Bein unter sich gezogen, auf der Couch saß. Auf dem Fernsehschirm sah man ein Bild Konstantins II . – jung, feucht gekämmt, energisch. Dann wurde er durch den Nachrichtensprecher abgelöst, der einen grauen Teint und eine Brille hatte und nichts außer dem Kopf bewegte, als er auf seine Blätter und in die Kamera blickte. Er artikulierte klar und deutlich, und die Papiere enthielten Worte wie: »In der Nacht rollten Panzer in … Überraschung und Verwirrung … Wichtige Kommunikationszentralen wie das Rundfunk- und das Fernsehgebäude wurden von der Außenwelt abgeschnitten, der Flughafen, Eisenbahn- und Busbahnhöfe, der Hafen von Piräus … Die Putschisten versichern, dass internationale Interessen unberührt bleiben werden. Bisher unbestätigte Meldungen, denen zufolge hunderte von Personen verhaftet worden sind, lassen jedoch vermuten … Hausarrest für Premierminister Kanellopoulos und Oppositionsführer Papandreou … wichtige Politiker, Gewerkschaftsführer, Lehrer und Studenten, sogar Angehörige des Militärs … Die Pferderennbahn findet Verwendung als … Die Obristen, und hier bitte ich, meine Aussprache zu entschuldigen« (ein Lächeln kräuselte seine Lippen), »Stylianos Pattakos, George Papadopoulos und Nick Mark-, nein, Makarezos soll das heißen …« Manolis seufzte. »… ließen verlautbaren, die Machtübernahme sei mit legalen Mitteln geschehen. Der amerikanische Botschafter Talbot erklärt …«
    Während der Sprecher berichtete, was in der Nacht zum 21. April 1967 passiert war, wurden Bilder von Panzern gezeigt, die mit schwingenden Antennen und gehobenen Rohren postiert standen. Autos krochen in kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit vorbei, Militärpolizisten dirigierten den Verkehr mit weißen Handschuhen. Manolis sank auf die Couch, Anton legte sich, das Kinn in die Hände gestützt, auf den Bauch, Jannis und Theo blieben im Türrahmen stehen. »Neuesten, noch unbestätigten Berichten zufolge, hat Konstantin II .« – erneut Archivbilder des Staatsoberhaupts, diesmal einer unsichtbaren Menschenmenge zuwinkend – »die neue Regierung vereidigt. Wenn das zutrifft, annulliert dieser möglicherweise konstitutionelle Akt die Wahlen, die bald stattfinden sollten, und zwar Ende … Sollte sich diese Information bestätigen, haben wir es mit einer gesetzmäßigen Regierung zu tun.«
    Ruhig legte der Sprecher das Blatt fort. Unter einer Manschette sah man flüchtig seine Uhr. Er griff nach einem neuen Blatt und blickte wieder in die Kamera. »Der Countdown zur Stunde Null hat begonnen. Während der Vorbereitungen zur Umstellung auf den Rechtsverkehr …« Lily streckte sich nach Manolis, aber ihr Mann verließ den Raum, ohne ihre Hand zu nehmen. Vor kurzem hatte er versucht, telefonisch Verwandte zu erreichen, jetzt wollte er es noch einmal probieren. Als er an dem Landsmann vorbeiging, der noch immer seinen Sohn auf dem Arm hielt, murmelte er: »Das ist der schwärzeste

Weitere Kostenlose Bücher