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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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seinem Anblick ein gewisses Vergnügen zu empfinden. Trotz seiner verwerflichen Angewohnheit, zu spät zum Frühstück zu kommen, hatte sie eine gewisse Schwäche für diesen liebenswerten, rosagesichtigen jungen Mann. Seine unverwüstliche Gutmütigkeit faszinierte sie.
    «Mr Bateman», sagte George Lomax kurz, wie jemand, der schnell zu anderen, besseren Themen kommen wollte. Ein ernsthafter blasser Mann verbeugte sich.
    «Und jetzt», fuhr Lomax fort, «möchte ich Sie Gräfin Radzky vorstellen.»
    Gräfin Radzky hatte sich mit Mr Bateman unterhalten. Sie saß auf einem Sofa, die Beine gewagt übereinandergeschlagen und rauchte eine Zigarette, die in einer unglaublich langen, türkisverzierten Zigarettenspitze steckte.
    Bündel fand, dass sie eine der schönsten Frauen war, die sie je getroffen hatte. Ihre Augen waren groß und blau, ihr Haar kohlschwarz, ihre Haut schimmerte matt.
    «Das ist Mrs Macatta, nicht wahr?», fragte sie.
    Als George dies verneinte und Bündel vorstellte, nickte sie nur kurz und desinteressiert und nahm sofort ihre Unterhaltung mit dem ernsthaften Mr Bateman wieder auf.
    Bündel hörte Jimmy flüstern: «Pongo ist ganz hingerissen von der schönen Slawin. Trinken wir eine Tasse Tee?»
    Erneut gerieten sie in die Nähe von Sir Oswald Coote. «Hübsches Plätzchen, das Sie da haben, dieses Chimneys » , bemerkte der große Mann.
    «Es freut mich, dass es Ihnen dort gefallen hat», sagte Bündel.
    «Braucht nur neue Installationen», meinte Sir Oswald, «müsste modernisiert werden, wissen Sie! Ich habe Herzog Altons Haus gemietet. Für drei Jahre. Damit ich mich in Ruhe nach etwas Eigenem umsehen kann. Ihr Vater will nicht zufällig verkaufen?»
    Bündel fühlte, wie ihr die Luft wegblieb. Sie erlebte albtraumartig ein England voll ungezählter Cootes in ungezählten Chimneys – alle Häuser, versteht sich, mit brandneuen Wasserleitungen.
    Plötzlich verspürte sie eine heftige Abneigung gegen ihn, die, wie sie sich sagte, einfach absurd war. Wenn man Lord Caterham mit Sir Oswald Coote verglich, gab es keinen Zweifel, wer letztlich gewinnen würde. Sir Oswald war eine bezwingende Persönlichkeit, die alle anderen Menschen blass und fade erscheinen ließ. Er war, wie Lord Caterham richtig bemerkt hatte, eine menschliche Dampfwalze. Und doch war Sir Oswald Coote in gewisser Weise auch ein dummer Mann. Abgesehen von seinem Fachwissen und seiner unerhörten Energie war er vermutlich sehr ungebildet. Hunderte von kleinen Freuden des Lebens, die ihr Vater genoss, waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.
    Während dieser Überlegungen hörte Bündel nicht auf, amüsant zu plaudern. Herr Eberhard, so hatte sie erfahren, war angekommen, lag aber mit nervösen Kopfschmerzen darnieder. Dies erzählte Mr O’Rourke, der es fertig gebracht hatte, sich an ihre Seite zu schlängeln.
    Im Ganzen gesehen befand sich Bündel in angenehmer, erwartungsvoller Stimmung, mit leicht nervösem Einschlag, wenn sie an die Ankunft von Mrs Macatta dachte.
    Ihren ersten Schock erlitt sie, als sie herunterkam – in ein züchtiges schwarzes Spitzenkleid gehüllt – und durch die Halle ging. Ein Diener stand dort – zumindest ein Mann, der wie ein Diener gekleidet war. «Superintendent Battle», flüsterte sie atemlos.
    «Ganz recht, Lady Eileen!»
    «Sind Sie hier, um… um…»
    «Die Dinge im Auge zu behalten.»
    «Ich verstehe.»
    «Der Drohbrief, wissen Sie! Mr Lomax ruhte nicht eher, bis ich selbst kam.»
    «Aber…», begann Bündel und hielt dann inne. Sie wollte dem Superintendenten lieber nicht verraten, dass seine Verkleidung nicht sehr wirkungsvoll war. Er roch förmlich nach Polizist!
    «Glauben Sie», fragte der Superintendent unerschütterlich, «dass man mich erkennt?»
    «Ich fürchte… ja…»
    Etwas, das man für ein Lächeln hätte halten können, huschte über Battles hölzerne Züge. «Und dann sind sie auf der Hut, was? Aber warum auch nicht, Lady Eileen?»
    «Warum auch nicht?», echote Bündel.
    Superintendent Battle nickte bedächtig. «Wir wollen keinen Ärger – nur eventuellen langfingrigen Herrschaften zeigen, dass wir auf der Hut sind, wenn ich diesen Ausdruck noch einmal benützen darf.»
    Bündel überlegte, wie viele Gäste Battle wohl erkannt hatten oder erkennen würden. Im Wohnzimmer stand George Lomax mit gerunzelter Stirn und hielt ein orangefarbenes Kuvert in der Hand.
    «Sehr ärgerlich», sagte er. «Ein Telegramm von Mrs Macatta. Sie kann nicht kommen, ihre Kinder haben

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