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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ertönte aus der Bibliothek – als würden alle Stühle umgeworfen.
    Bündel rüttelte an der Tür. Vergeblich. Sie war abgeschlossen. Aber sie konnte ganz deutlich hören, dass dahinter, ein Kampf stattfand – Keuchen und Schnaufen verrieten es, männliche Flüche und das gelegentliche Rumpeln, wenn irgendein kleineres Möbelstück in den Weg der Kämpfenden geriet.
    Und dann waren unheilvoll und deutlich kurz hintereinander zwei Schüsse zu hören. Mit der Stille der Nacht war es endgültig aus.

20
     
    L oraine Wade setzte sich in ihrem Bett auf und knipste die Nachttischlampe an. Es war genau zehn Minuten vor ein Uhr. Sie war früh zur Ruhe gegangen – um halb zehn –, und da sie die nützliche Eigenschaft besaß, genau dann aufzuwachen, wenn sie wollte, hatte sie sorglos ein paar Stunden schlafen können.
    Einer der beiden Hunde, die vor ihrem Bett lagen, hob seinen Kopf und sah sie fragend an.
    «Ruhig, Lurcher», befahl Loraine. Gehorsam legte das große Tier seinen Kopf zwischen die Pfoten und beäugte sie nur wachsam durch seine struppigen Wimpern.
    Bündel hatte zwar einmal Loraine Wades Sanftmut misstraut, aber dieser kurze Augenblick des Misstrauens war rasch verflogen. Loraine hatte so vernünftig gewirkt, so bereit, sich aus der Sache herauszuhalten… Wenn man jedoch das Gesicht des Mädchens genauer betrachtete, erkannte man, dass sie ein energisches kleines Kinn und einen entschlossen wirkenden Mund besaß.
    Loraine stand auf, kleidete sich an und verstaute eine Taschenlampe in der Tasche ihrer Tweedjacke. Dann zog sie die Schublade ihres Frisiertisches auf und nahm eine kleine Pistole mit Elfenbeingriff heraus, die fast wie ein Spielzeug wirkte. Sie hatte sie am vergangenen Tag bei Harrods gekauft und war sehr stolz auf sie.
    Als sie sich noch einmal prüfend im Zimmer umblickte, ob sie auch nichts vergessen habe, erhob sich der große Hund und kam schwanzwedelnd auf sie zu. Mit flehenden Hundeaugen sah er sie an.
    Loraine schüttelte den Kopf. «Nein, Lurcher! Du musst hier bleiben. Frauchen kann dich nicht brauchen. Sei schön brav und mach Platz!» Sie küsste ihn auf den Kopf und glitt lautlos aus dem Zimmer.
    Leise schlüpfte sie durch einen Seitenausgang ins Freie und lief zur Garage, wo ihr kleiner Zweisitzer stand. Vor der Garage war ein kurzer Abhang. Sie ließ den Wagen hinunterrollen und ließ den Motor erst an, als sie ein Stück vom Haus entfernt war. Dann sah sie auf ihre Armbanduhr und trat aufs Gaspedal.
    Einige Zeit später ließ sie den Wagen an einer Stelle stehen, die sie tags zuvor sorgfältig ausgesucht hatte. Dort war eine Hecke mit einem Loch, durch das sie hindurchkriechen konnte. Ein paar Minuten später stand Loraine leicht verdreckt im Park von Wyvern Abbey.
    So geräuschlos wie möglich schlich sie auf das efeuumrankte Haus zu. In der Ferne schlug eine Uhr zweimal.
    Loraines Herz klopfte rascher, als sie zur Terrasse kam. Niemand war zu sehen – nirgends ein Zeichen von Leben. Alles schien friedlich und ruhig zu sein. Sie blickte sich um.
    Plötzlich, ohne die geringste Vorwarnung, fiel etwas von oben und landete vor ihren Füßen. Loraine bückte sich. Es war ein lose in braunes Papier gewickeltes Päckchen. Loraine hob es auf und blickte am Haus hoch.
    Über ihrem Kopf stand ein Fenster offen, und gerade als sie hinaufsah, schwang ein Mann seine Beine hinaus und begann, am Efeu hinunterzuklettern.
    Loraine wartete nicht länger. So schnell sie konnte, rannte sie davon, das Päckchen fest an sich gepresst.
    Hinter ihr waren plötzlich Kampfgeräusche zu hören. Eine heisere Stimme rief: «Loslassen!» Eine andere, die sie gut kannte, protestierte: «Nein, jetzt, da ich weiß…»
    Blindlings stürzte Loraine um die Ecke der Terrasse, direkt in die Arme eines großen kräftigen Mannes.
    «Schau, schau», sagte Superintendent Battle freundlich.
    Loraine rang nach Worten. «Schnell… schnell!», rief sie, «Sie bringen sich um! Beeilen Sie sich doch!»
    Ein Schuss fiel – und dann ein zweiter.
    Superintendent Battle lief los. Loraine folgte ihm. Sie rannten um die Ecke zurück zu den Terrassentüren der Bibliothek. Eine von ihnen war offen.
    Battle blieb stehen und knipste seine Taschenlampe an. Loraine blickte ihm über die Schulter und stieß einen kleinen Schrei aus. Auf der Türschwelle lag Jimmy Thesiger in etwas, das wie eine Blutlache aussah. Sein rechter Arm war merkwürdig verdreht.
    «Er ist tot», wimmerte Loraine. «Oh, Jimmy – Jimmy! Er ist

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