Der letzte Krieg der Engel (German Edition)
auf den Füßen, hatte sein Schwert in der Hand und rannte nach draußen, wo Leandra im Innenhof des Klosters stand.
Aber es waren keine angreifenden Feinde, die sie so sehr aus der Fassung gebracht hatten, sondern ihr ausgestreckter Arm wies in den Himmel, und noch ehe Arel ebenfalls nach oben sah, wusste er, was geschehen war:
Die Sterne und der Mond waren blass und dunkel geworden, hatten viel ihrer Leuchtkraft eingebüßt und auch die Sonne, die gerade müde aufzugehen begann, war dunkler als gewöhnlich.
„Das vierte Siegel“, murmelte Arel und ließ sein Schwert wieder verschwinden. Es war vollkommen nutzlos, so wie er selbst auch. „Es schreitet voran.“
„Oh mein Gott!“ So bissig und abgeklärt sich Leandra auch gerne gab, so entsetzt war sie immer wieder, Zeichen des bevorstehenden Weltuntergangs zu sehen.
Sie verbarg ihr Gesicht an Arels Brust, der sie mit einem leisen Seufzen in die Arme schloss und ihr einen Kuss in die Haare hauchte.
„Es tut dir nichts“, wollte er sie sachte beruhigen und streichelte ihr zärtlich den Rücken. „Und es ist immer noch nichts entschieden.“
„Ich hasse dich für deine Ruhe und Gelassenheit!“ Leandra meinte das ernst, aber Arel zuckte nur die Schultern und zog sie mit sich zurück ins Innere des Klosters, wo es zwar nicht viel wärmer war, dafür gemütlicher.
„Ich weiß eben, wo mein Platz ist“, versuchte er eine Erklärung, obwohl er wusste, wie sinnlos das war. „Alles steht geschrieben, Leandra! Alles, was passiert, ist vorherbestimmt.“
„Willst du mir damit sagen, dass wir keine Wahl haben?“, kam die böse Antwort, die er sogar erwartet hatte. „Ist alles sinnlos, was wir hier tun?“
„Nein.“ Arel schüttelte den Kopf. „Es ist nicht sinnlos, es ist nur vorherbestimmt.“
„Aber ... aber wenn du versagt hättest, wenn ich mich für die andere Seite entschieden hätte“, begehrte Leandra auf und runzelte die Stirn. „Wäre das dann auch schon geschrieben gewesen? Und von wem? Weiß Gott, was geschehen wird?“
„Nein, Sie hat nur eine Ahnung davon“, vermutete Arel und ließ sich mit Leandra auf ihrem Lager nieder. Er hätte sie gerne dicht an sich gezogen, aber das gestand er sich nicht zu. Und er traute es sich auch nicht, zu groß war seine Angst vor ihrer Ablehnung. „Es ...“
„Ist Gott nicht das oberste Wesen?“, las Leandra in Arels Worten, aber der Engel zuckte nur die Schultern und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Sie bewegten sich in Regionen, die er niemals mit ihr hätte betreten dürfen.
Leandra spürte nur zu genau, dass er nicht mehr mit ihr reden würde. Sie rückte mit einer unwilligen Bewegung von ihm weg, um irgendwo auf dem Gelände des Klosters zu verschwinden. Sie wollte alleine sein.
Die Zeit, die sie mit dem Engel verbracht hatte, warf wesentlich mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Leandra war sich längst nicht mehr so sicher, ob Gott allmächtig und allwissend war - und überhaupt auf der richtigen Seite stand.
Wie konnte man so anmaßend sein, hier eine Entscheidung zu treffen? Am Ende stellte sich der Sieger immer als der Richtige hervor, aber war das auch so? Sie hatte viel im Kloster gelesen, auch Bücher, die mehr aussagten, als die Texte der Bibel. Es war immer ein Ratespiel, in jedem Text, der von Menschenhand entstanden war. Aber wer war Luzifer wirklich? Ein einfacher Engel? Oder Gottes Sohn? Wenn das so war, dann war Gott von seinem eigenen Sohn herausgefordert worden, und sein Sohn hatte verloren. Jetzt fristete er als Fürst der Hölle sein Dasein, aber machte es ihn automatisch schlecht? Vielleicht ...
22 . Kapitel
‚Da sah ich einen Engel, der vom Himmel auf die Erde gefallen war; ihm wurde der Schlüssel zu dem Schacht gegeben, der in den Abgrund führt.
Und er öffnete den Schacht des Abgrunds.
Da stieg Rauch aus dem Schacht auf, wie aus einem großen Ofen, und Sonne und Luft wurden verfinstert durch den Rauch aus dem Schacht.
Aus dem Rauch kamen Heuschrecken über die Erde und ihnen wurde die Kraft gegeben, wie sie Skorpione auf der Erde haben.
Es wurde ihnen gesagt, sie sollten dem Gras auf der Erde, den grünen Pflanzen und den Bäumen keinen Schaden zufügen, sondern nur den Menschen, die das Siegel Gottes nicht auf der Stirn haben.
Es wurde ihnen befohlen, die Menschen nicht zu töten, sondern nur zu quälen, fünf Monate lang.
Und der Schmerz, den sie zufügen, ist so stark, wie wenn ein Skorpion einen Menschen sticht.
In jenen Tagen
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